100 Jahre Hildegardisschule

, Stadtdekanat Münster

Sie ist klein, verbreitet sich in den kommenden Wochen aber hoffentlich weit über die Schulgrenzen hinaus. „Wenn wir schon nicht groß feiern können, möchten wir zumindest mit einer eigenen Briefmarke an unser Jubiläum erinnern“, sagt Peter Garmann. Der stellvertretende Leiter der Hildegardisschule in Münster hält die Briefmarke mit dem Schullogo ein wenig stolz in den Händen. Zu Recht: Das einzige bischöfliche Berufskolleg in Münster kann in diesem Jahr auf 100 Jahre Schulgeschichte zurückblicken.

Die Hildegardisschule von außen.

© Bistum Münster

1920 von der Vorsehungsschwester Thusnelda Mölleney gegründet als eine Frauenschule mit 20 Schülerinnen, hat sich viel getan in dem zurückliegenden Jahrhundert. Hauswirtschaft und Kindererziehung – das stand anfangs im Fokus der Lehre. Heute deckt die Schule drei große Bildungsfelder ab: Ernährung und Versorgungsmanagement, Gesundheit, Erziehung und Soziales sowie Wirtschaft und Verwaltung. Die Entwicklung zeichnete sich früh ab: Weil der Zulauf nach der Gründung beachtlich stieg, wurde die Hildegardisschule 1926 die erste Frauenoberschule in Preußen. 18 Schülerinnen schlossen die Ausbildung 1929 mit dem ersten Werkabitur ab. Dann kam der Zweite Weltkrieg, der die Schule hart traf: Konfessionelle Schulen hatten einen schweren Stand, Ordensleute durften nicht mehr unterrichten. In einer Bombennacht 1944 wurde das Schulgebäude am Bohlweg vollständig zerstört. Doch die Schülerzahlen stiegen weiter an. „Seit 1959 gibt es uns hier an der Neubrückenstraße“, erklärt Garmann.

Bistum übernimmt 1994 Trägerschaft

Nachwuchssorgen plagten schließlich den Orden der Schwestern der göttlichen Vorsehung. Beate Rößmann arbeitet seit 35 Jahren am Berufskolleg. Sie ist die dienstälteste Kollegin und hat Schwester Fides Rottmann als letzte Schulleiterin des Ordens noch erlebt. Die Lehrerin erinnert sich an den Trägerwechsel 1994: „Die Schwestern haben vorausschauend gehandelt und die Schule an das Bistum übergeben.“ Sie weiß: „Der Geist der Hildegard von Bingen ist nach wie vor präsent.“ Es ist eben dieses christliche Profil, das das Berufskolleg auszeichnet, ist Beate Rößmann überzeugt. „Neben einer fundierten Ausbildung in neun verschiedenen Bildungsgängen lernen die Schülerinnen und Schüler bei uns in einem familiären Umfeld.“ Am Ende hätten sie nicht nur das Abitur, Fachabitur oder die Fachoberschulreife, eine Ausbildung zur Erzieherin, zum Heilerziehungspfleger oder zum Sozialassistenten in der Tasche, die jungen Erwachsenen nähmen noch vieles Weitere für ihr Leben mit. „Wertschätzung, Respekt und Weltoffenheit – das geben wir als Lehrende den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg“, sagt die Lehrerin. 

Peter Garmann, Eva Andreo Garcias und Beate Rößmann vor dem Banner an der Fassade der Hildegardisschule, das auf das 100-jährige Jubiläum hinweist.

© Bistum Münster

Die heilige Hildegard von Bingen, die Patronin der Schule, wacht auf dem Schulhof über die Schulgemeinde.

© Bistum Münster

Dazu gehören auch regelmäßige Schulgottesdienste, die von den Schülern mitgestaltet werden, der verbindliche Religionsunterricht und das Angebot eines wöchentlichen Morgenimpulses. „Besonders gut kommt der jährliche ‚Tag des gelebten Glaubens‘ an“, weiß Lehrerin Eva Andreo Garcia. An dem Tag lernen die Schüler in Kleingruppen Einrichtungen kennen, in denen Menschen aus ihrem Glauben heraus Dienst tun. „Das können das Hospiz, die Bahnhofsmission, die Telefonseelsorge oder auch Ordensgemeinschaften sein“, gibt Eva Andreo Garcia Beispiele. Durch die zentrale Innenstadt-Lage sind die Verantwortlichen außerdem dankbar für Kooperationen mit der benachbarten Jugendkirche Münster und dem St.-Paulus-Dom, in dem die Schulgottesdienste gefeiert werden.

Solidaritätstag "Bacabal" für Partnerschaft

Das soziale Engagement wird auch in der seit 1968 bestehenden Partnerschaft mit Bacabal, einem der ärmsten Gebiete Brasiliens, deutlich. Der Solidaritätstag „Bacabal“ hat einen festen Platz im Schulprogramm. Kreativität ist gefragt, wenn Leckereien, Geschenkartikel und Mitmachaktionen angeboten und verkauft werden. Der Erlös kommt der Frei-Alberto-Schule in Sao Luis zugute, eine Grundschule in Trägerschaft des Franziskanerordens. „Etwa 10.000 Euro kommen jedes Jahr durch Aktionen zusammen, voraussichtlich sogar in diesem Jahr“, berichtet Peter Garmann. Obwohl die sonst üblichen Projekte ausfallen mussten, sind die Schüler selbst aktiv geworden und haben beispielsweise private Sponsorenläufe organisiert.

Peter Garmann ist stolz auf den „guten Ruf“ der Hildegardisschule, der sich auch in der Statistik widerspiegelt. Etwa die Hälfte der Schüler kommt aus dem Umland, einige sogar aus Niedersachsen. Seit der neue Bereich Wirtschaft und Verwaltung ins Schulprogramm aufgenommen worden ist, steigt auch der Anteil an Jungen, die seit 1972 die Schule besuchen dürfen. „70 Prozent Mädchen, 30 Prozent Jungen – das ist das momentane Verhältnis“, sagt Garmann. Attraktiv für Schüler, die Rückmeldung bekommt er immer wieder, sei vor allem die technische Ausstattung des bischöflichen Berufskollegs. „In allen Klassen gibt es einen Beamer, eine Dokumentenkamera und Apple-TV.“ Seit 2015 gibt es zudem mehrere IPad-Klassen. Ein großer Vorteil für die Schule, besonders in diesem Jahr: „Wir können ohne Probleme auf einen digitalen Unterricht umstellen“, weiß der stellvertretende Schulleiter aus Erfahrung.

Briefmarke und Luftballonaktion

100 Jahre – eigentlich ein echter Grund zu feiern. Die Corona-Pandemie hat einen Strich durch die geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten gemacht. „Wir wollten einen Festgottesdienst im Dom feiern, eine große Party im Jovel, zu der schon viele Anmeldungen von Ehemaligen vorlagen, und es sollte einen Festakt geben“, berichtet Garmann. Alles ist ausgefallen und wird auch nicht nachgeholt. Neben der eigenen Briefmarke ließ die Schulgemeinschaft aber bereits zum Gründungstag im Juni 100 Luftballons steigen. Der weiteste flog 175 Kilometer bis nach Belgien, der Finder schickte eine Karte zurück. Mit solchen kleinen Aktionen im Laufe des Jahres wird das Jubiläum bei Schülern und Lehrern noch lange präsent bleiben.

Ann-Christin Ladermann