20 Schüler beschäftigen sich mit Demokratie in Krisenzeiten

, Stadtdekanat Münster

Die Demokratie in Zeiten der Pandemie: Mit diesem Thema haben sich 20 Schülerinnen und Schüler aus Münster am 29. Oktober auseinandergesetzt. Die jungen Frauen und Männer aus den Oberstufen der münsterischen Gymnasien nahmen an der Schülerakademie „Dialoge zum Frieden“ teil. Der Studientag, der jährlich von der Akademie Franz Hitze Haus in Kooperation mit der Stadt Münster veranstaltet wird, stand in diesem Jahr unter der Überschrift „Der Demokratie auf den Grund gehen“ und fand aufgrund der aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie als digitale Veranstaltung statt.

Die Politikerin Marina Weisband sprach sich bei der Schülerakademie dafür aus, Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung für die Gesellschaft zu übertragen.

© Tibor Bozi

Zu Gast war Marina Weisband, ehemalige Piraten-Politikerin, Bloggerin und Buchautorin, die sich dafür aussprach, Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung für die Gesellschaft zu übertragen. „Lernorte sollen Orte der Selbstwirksamkeit sein, an denen Schülerinnen und Schüler entsprechende Fähigkeiten für die Zukunft und für eine Demokratie lernen sollen“, betonte Weisband. Junge Menschen müssten in Kompetenzen geschult werden wie Kommunikation, Zusammenarbeit, kritisches Denken, Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung. „Es ist eine pädagogische Aufgabe, dass Leute nicht Konsumenten ihrer Umwelt sind, sondern Gestalter“, sagte die Diplom-Psychologin.

„Wir sind mächtiger als je zuvor, die Frage ist nur: Was macht die Macht mit uns?“, fragte Weisband. Die Digitalisierung, betonte die heutige Grünen-Politikerin überzeugt, sei der große Verstärker: „Wenn ich gerne faul und passiv auf dem Sofa herumliege, kann ich mit dem Smartphone besser faul und passiv auf dem Sofa herumliegen. Wenn ich gerne politisch aktiv bin, kann ich mithilfe des Smartphones besser politisch aktiv sein.“ Die Corona-Pandemie führe vor Augen, was es für eine Demokratie braucht: Vertrauen statt Kontrolle, eine verbesserte Infrastruktur und mehr Geld für Personal, denn Demokratie sei Beziehungsarbeit. Zudem machte sich Weisband für eine stärkere Beteiligung der Bürger durch zufällig ausgeloste Bürgerräte stark, die sich interdisziplinär mit den komplexen Problemen der Gegenwart und Zukunft befassen – ein Vorschlag, der im Anschluss intensiv von den Schülern diskutiert wurde.

Mehr Beteiligung bereits in der Schule, dafür setzt sich die Politikerin mit dem Projekt „aula“ ein, bei dem Schüler ihr eigenes Umfeld gestalten. An zwölf Schulen werde damit bisher gearbeitet. Schüler sammeln und diskutieren ihre Wünsche und Vorschläge auf einer Online-Plattform. Anschließend setzen sie nach einem Mehrheitssystem die populärsten Vorschläge eigenverantwortlich um. Dabei ziehen alle mit: Auch die Lehrer, Schulleitung und Elternvertreter sind durch einen Rahmenvertrag verpflichtet, die Umsetzung der Ideen zu unterstützen. „So werden Schüler zu aktiven Gestaltern“, betonte Weisband.

Dr. Philipp Erdmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter für historische Bildungsarbeit und stadtgeschichtliche Forschung im Stadtarchiv Münster, ergänzte die Ausführungen um die Frage, ob Verschwörungstheorien die Demokratie gefährden. Am Beispiel der Stadtgeschichte Münsters mit seinen Krisen, zum Beispiel das Täuferreich, die Hexenprozesse, die Cholera-Epidemie und die Weltkriege, stellte der Historiker fest, dass der Glaube an Verschwörungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fest in der Mitte der Gesellschaft verankert waren. „Erst in den vergangenen Jahrzehnten gelten Verschwörungstheoretiker als kauzige Außenseiter, die sich gegen die Oberen der Regierung wehren wollen und denken, dass sie als letzte unabhängige Denker Aufklärungsarbeit gegen den Mainstream leisten“, erklärte Erdmann. Sicherlich seien Verschwörungserzählungen gefährlich, jedoch gefährdeten sie nicht die Demokratie: „Aus historischer Sicht haben sie ihre Blütezeit längst hinter sich.“

Nach weiteren lebhaften Diskussionen konnten die Schüler ihre Erfahrungen in der „Lockdown-Phase“ der Corona-Pandemie auf kreative Art und Weise verarbeiten. In einer Schreibwerkstatt, geleitet vom Journalisten und „ZEIT-online“-Autor Marc-Stefan Andres, einer Theaterwerkstatt bei der Theaterpädagogin Ulla Krawczyk und einem Workshop zum Thema „Fake News“ beim Produzenten und Kameramann Hans-Peter Dürhager gingen sie der Rolle der Demokratie – insbesondere in Krisenzeiten – nach. 

Ann-Christin Ladermann