Abruptes Ende einer unvergesslichen Zeit

, Kreisdekanat Warendorf

Es ging alles ganz schnell: Am Wochenende war Linda Heinrich aus Oelde noch mit einheimischen Freunden in Ruanda unterwegs gewesen, am Montag kam die Nachricht: Die 20-Jährige und ihre Mitfreiwillige Larissa Mersmann müssen nach Hause fliegen. Während in Deutschland die Zahl der an Covid-19-Erkrankten rasant anstieg, schien in Ruanda das Leben noch einigermaßen normal. „Zu dem Zeitpunkt gab es in Deutschland 10.000 Fälle, in Ruanda nur einen einzigen.“ Doch aus Sorge und zum Schutz der jungen Erwachsenen, holte das Bistum Münster die Freiwilligen, die für ein Jahr einen Dienst im Ausland machen wollten, Mitte März zurück. Abruptes Ende eines Auslandsjahres, das für Linda Heinrich eigentlich bis August hätte dauern sollen.

Larissa Mersmann (links) und Linda Heinrich (rechts) haben im „Centre des enfants et jeunes handicapes“ in Gahanga den Physiotherapeuten Damascene bei der Arbeit unterstützt.

© pirivat

Ganz bewusst hatte sich die Oelderin im vergangenen Jahr für die Einrichtung für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in Ruanda entschieden. „Ich habe vorher in Oelde schon ein Kind mit dem Downsyndrom betreut und gemerkt, dass mir die Arbeit Freude macht“, berichtet Linda Heinrich. Das hat sich in Ruanda bestätigt: Die 20-Jährige hat die Lehrerin beim Unterricht der Kinder und Jugendlichen unterstützt und bei der Physiotherapie mitgeholfen. Die Erfahrungen haben bei ihr einen ganz bestimmten Berufswunsch geweckt: „Ich möchte Sonderpädagogik studieren.“

Gerne hätte sie auch die restlichen Monate ihres Freiwilligenjahres in Ruanda verbracht. Als sie im Februar von ihrer Familie und aus den Nachrichten von der Ausbreitung des Coronavirus in Asien und Europa erfuhr, war das Thema noch weit weg. „Aber nur wenige Tage später standen schon vor allen Kaufhäusern und Restaurants in Ruanda Desinfektionsmittelspender und plötzlich war Corona ganz nah“, blickt Linda Heinrich zurück. Zwar war die Nachricht, dass sie zurück nach Deutschland fliegen müssen, ein Schock, doch völlig überraschend kam sie nicht: „Freiwillige anderer Organisationen, die auch in unserem Projekt waren, mussten noch eher zurück.“

Sebastian Aperdannier, Franziska Barthelt und Judith Wüllhorst aus dem Referat Freiwilligendienste im Ausland des Bistums Münster haben sich um die Rückreise der jungen Erwachsenen gekümmert. Was nicht so einfach war, weil der internationale Flugverkehr zunehmend eingeschränkt wurde. „Wir sind an dem Donnerstag zurückgeflogen, bevor Freitag der Flughafen gesperrt wurde“, berichtet Linda Heinrich von der abenteuerlichen Rückreise. Für die Bemühungen des Bistumsteams ist sie dankbar: „Wir haben uns sehr gut betreut und begleitet gefühlt, wir standen in ständigem Kontakt mit Münster.“

Die letzten verbliebenen Tage haben die 20-Jährige und ihre Mitfreiwillige genutzt, um allen Tschüss zu sagen „Wir haben uns entschieden, noch einmal ins Center zu gehen und uns von den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Ordensschwestern und den Mitarbeitenden zu verabschieden“, erzählt Linda Heinrich. Den ganzen Tag hätten sie dort verbracht, Erinnerungsfotos aufgenommen, mit den Schwestern gegessen und abends die Kinder ins Bett gebracht. Besonders schwer gefallen ist ihnen der Abschied von Physiotherapeut Damascene und Lehrerin Constantine. „Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht und sind echte Freunde geworden.“

Zurück in Oelde fiel Linda Heinrich das Ankommen erst schwer. „Mit dem Kopf war ich noch in Ruanda.“ Viel Zeit mit der Familie hat sie während des Lockdowns verbracht, mittlerweile arbeitet sie einige Stunden auf einem Spargelhof. „Das strukturiert den Tag“, sagt sie. Auch wenn der Freiwilligendienst anders endete als geplant: Linda Heinrich ist dankbar für die Zeit in Ruanda: „Ich habe tolle Erfahrungen machen dürfen, habe viel gelernt und bin in vielen Dingen jetzt entspannter.“ Und vielleicht war es ja nicht ihr letzter Besuch in dem ostafrikanischen Land. 

Ann-Christin Ladermann

Ein Selfie mit den Ordensschwestern im Center: Larissa Mersmann (links) und Linda Heinrich (zweite von rechts).

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