Annegret Tesing verlässt die Pforte

, Bistum Münster

Das Telefon steht direkt neben ihr, der Türöffner ist nur eine Armlänge entfernt und die Glasscheibe vor ihr – immer geöffnet. „Ich mag es, wenn was los ist“, sagt Annegret Tesing. Dazu gehört auch das Treiben auf dem Domplatz, das sie aus ihrem Fenster heraus beobachten kann. Mehr als sieben Jahre lang hat sich die 54-Jährige an der Pforte des Bischöflichen Generalvikariats (BGV) in Münster um die Anliegen der Besucher und Anrufer gekümmert. Jetzt wechselt die Wesekerin zum Kreis Borken, der lange Weg zum Arbeitsplatz fällt weg.

Annegret Tesing

Mehr als sieben Jahre hat Annegret Tesing den Platz an der Pforte des BGVs eingenommen, hat Besuchern und Anrufern bei Fragen weitergeholfen und manchmal auch nur zugehört.

© Bistum Münster

Annegret Tesing braucht Menschen um sich herum. „Ich glaube, ich bin schon so geboren worden“, sagt sie lachend. Ganz sicher aber ist sie so groß geworden. Ihre Eltern waren Inhaber eines Tante-Emma-Ladens, sie und ihre Geschwister waren immer mittendrin. „Oft hat es abends, außerhalb der Öffnungszeiten, nochmal an unserer Tür geläutet und jemand wollte einen Liter Milch oder ähnliches haben“, erinnert sie sich. Später übernahmen ihr Vater und ihre Mutter einen Imbiss im Dorf, bis heute ist er in Familienhand. Ihr Bruder leitet ihn, Annegret Tesing unterstützt ihn bei Verwaltungsaufgaben und der Kontaktpflege: Auf einen kurzen „Prötken“ nach der Arbeit in den Imbiss, das gehört für die Wesekerin dazu.

Den Kontakt zu den Menschen hat Annegret Tesing schon gesucht, bevor sie ihre Tätigkeit im BGV begann. Als Altenpflegerin bei der Caritas in Borken, später – nach einer Umschulung – als Fachangestellte für Bürokommunikation, ebenfalls bei der Caritas, wo sie bereits ab und zu an der zentralen Pforte aushalf. Wichtig war ihr bei der Suche nach einer neuen Tätigkeit im Jahr 2011 der kirchliche Bezug. Sie wohnt in unmittelbarer Nähe zur St.-Ludgerus-Kirche, das Engagement in der katholischen Pfarrei gehört für sie dazu. „Ein Stück weit ist das mein Leben“, sagt sie. Seit ihrem 18. Lebensjahr übernimmt sie den Küsterdienst, ist Lektorin und Kommunionhelferin und bringt sich im Liturgieausschuss ein.

Als sie eine Zusage vom Bistum Münster bekam, zögerte sie nicht und nahm auch den langen Arbeitsweg in Kauf. Jeden Morgen sitzt Annegret Tesing seitdem meistens um 5.30 Uhr im Schnellbus von Borken nach Münster. Enge Kontakte zu anderen Pendlern sind entstanden und ab und zu konnte sie auch dienstlich darauf zurückgreifen und so über den kurzen Dienstweg den Kontakt zu unterschiedlichen Einrichtungen in Münster herstellen.

495-0: Es sind unzählige Menschen, die diese Nummer in den vergangenen Jahren gewählt haben und von Annegret Tesing beim Bischöflichen Generalvikariat begrüßt worden sind. Manchmal konnte sie direkt weiterhelfen, oft zu den gesuchten Ansprechpartnern weiterleiten. Doch nicht immer gab es ein konkretes Anliegen: „Viele Menschen sind in Not – finanziell, sozial oder beides“, sagt die 54-Jährige. Manche brächten dies laut und aufgebracht zum Ausdruck, wütend auf die Gesellschaft und eben auch die Kirche, anderen höre man ihre Einsamkeit und Verzweiflung an. „Da reicht es manchmal schon, zuzuhören, Verständnis zu zeigen und denjenigen ein bestärkendes Gefühl zu geben“, weiß Annegret Tesing. Unterstützung fand sie dabei stets bei dem jüngst verstorbenen Weihbischof Friedrich Ostermann, für den sie verschiedene Sekretariatsaufgaben übernommen hatte. „Er hat sich oft der Anliegen dieser Menschen angenommen“, blickt sie zurück.

Viele Überraschungen hielt der Dienst an der Pforte bereit. „Man wusste nie, wer als nächstes mit welchem Anliegen kommt“, sagt Annegret Tesing. Zufrieden und glücklich war sie, wenn es ihr Gegenüber auch war, weil sie weiterhelfen konnte. Und manchmal waren auch skurrile Situationen dabei: „Einmal standen plötzlich mehrere Alphornbläser mit ihren meterlangen Instrumenten vor mir, die zufällig in der Gegend waren und unbedingt einmal im Dom spielen wollten.“ Kurzerhand wandte sie sich an den vorbeilaufenden damaligen Generalvikar Dr. Norbert Köster und mit seiner Unterstützung konnte den Musikern ihr Wunsch erfüllt werden. „An dieses Erlebnis werden sie sich wohl noch lange erinnern“, vermutet Annegret Tesing. So, wie sie selbst auch viele Erinnerungen mitnimmt, wenn sie den Domplatz verlässt.

Ann-Christin Ladermann