„Heute feiern wir den Weihetag unseres Domes“, sagte Genn gleich zu Beginn des Gottesdienstes. „Und was es heißt, zur Versammlung der Kirche Gottes zu gehören. Das erfahren wir gerade ganz bedrückend in diesen Tagen“, bezog sich das Münsteraner Kirchenoberhaupt konkret auf die Missbrauchsstudie der Katholischen Kirche, die am 25. September veröffentlicht wurde. „Dennoch geben wir die Zuversicht auf das Erbarmen Gottes nicht auf.“
Man könne stolz auf das Bauwerk sein, das zum Wahrzeichen der Stadt Münster geworden sei. „Doch dürfen wir das? Sind die dunklen Schatten nicht viel mächtiger als all das, was wir hier heute vollmundig feiern? Ist jetzt nicht eine Stunde der Finsternis, statt einer des Lobes und Stolzes darüber, Kirche zu sein?“, fragte ein sichtlich betroffener Bischof.
„Es fällt mir immer schwerer, Scham und Entrüstung zu zeigen, Entschuldigung zu sagen. Die Worte klingen hohl und leer, obwohl ich sie wirklich von Herzen so meine“, gab Genn Einblick in sein Gefühlsleben. „Ich gestehe offen, dass mich die Situation überfordert. Wieso stellt der Herr mich in diese Stunde? Wie kann ich zur Tagesordnung übergehen, wo doch jeder weiß, wie lange solche Wunden zur Heilung brauchen, wenn es überhaupt gelingt“, ließ er die Menschen im vollbesetzten Dom an seiner Ratlosigkeit teilhaben.
Menschen würden ihm schreiben, ihn fragen, wie man bei „so einem Laden“ noch mitmachen könne? Und er wandte sich direkt an die neuen Pastoralreferentinnen und -referenten: „Sie sagen heute, Sie machen mit. Sie machen mit bei dieser Solidargemeinschaft, für die Sie auch in Haft genommen werden“, freute Genn sich. „Wenn Sie in Mithaftung genommen werden, erinnern Sie sich daran, warum Sie mitmachen, was Ihnen wichtig ist“, gab er ihnen mit auf den Weg.
Im Evangelium rufe Jesus die Sünder zu sich. „Und jeder von uns ist ja wohl ein Sünder.“ Jesus weise sie nicht ab. Im Gegenteil: „Er richtet sie, richtet uns wieder auf.“ In dieser Erfahrung liege die Dankbarkeit begründet und daraus erwachse die Sendung, das Erfahrene weiter zu geben. „Und das genau ist unsere Sendung: jeden so anzunehmen, wie er ist“, erläuterte Genn. „Sie haben den Gottesdienst unter das Schlagwort ‚Angesicht‘ aus dem Evangelium gestellt. Darüber freue ich mich sehr. Das zeigt, dass Sie jeden Menschen sehen wollen. Dienen heißt, den anderen anzusehen, sein Inneres zu erkennen und wahrzunehmen.“
Er forderte die Pastoralreferenten auf, immer an der Stelle zu sein, wo der Mensch eine Antworthilfe erwarte. „Sie sollen dabei keine vorschnellen Antworten parat haben, sondern ihm demütig, hörend und ansehend helfen und mit ihm gemeinsam nach einer Antwort suchen. Dafür bin ich Ihnen außerordentlich dankbar. Denn das ist das Zentrale jeder christlichen Berufung.“
Der Gottesdienst wurde musikalisch gestaltet vom Frauenchor Starlights mit Band aus Ostbevern und Domorganist Thomas Schmitz.
Text/Foto: Jürgen Flatken