In seiner Predigt erklärte er die Bedeutung dieses besonderen Jahres, das die Kirche alle 25 Jahre begeht: „Die Öffnung der Türen an den römischen Basiliken will eine eigene Botschaft senden, die für die Kirche von großer Bedeutung ist: Die Botschaft der Weihnacht, die Verkündigung des Evangeliums, ist eine Botschaft, die, wie die Engel schon auf den Fluren Bethlehems zu den Hirten gesagt haben, ,die dem ganzen Volk zuteilwerden soll‘. Dieser Messias, der Retter, soll allen Völkern das Heil ansagen. Er ist nicht nur für eine kleine Gruppe von besonders Frommen bestimmt und auch nicht zu einem einzigen Volk gehörig, sondern der Retter und Heiland aller Menschen.“
Es gelte, dass niemand ausgeschlossen werden dürfe. „Vielleicht haben wir das in der Kirche manchmal vergessen. Zumindest hat sie für viele Menschen den Eindruck erweckt, als seien für sie und ihre Lebensformen die Tore verschlossen“, sagte der Bischof. Das bedeute nicht „eine Beliebigkeit, nach der jeder tun und lassen kann, was er will, sondern eine Einladung, dass jeder Mensch, wie auch immer er sich fühlt, in der Menschwerdung Jesu Christ angesprochen und gemeint ist. Jeder ist eingeladen, mit Gott in Beziehung zu treten“, führte Bischof Genn aus.
Die Tore, die im Heiligen Jahr geöffnet sind, „wollen für jeden von uns eine Mahnung sein, wie wir es mit der Gastfreundschaft in den Gemeinden halten“, sagte er. „Wenn ich bisweilen in unsere Gemeinden schaue und einen kritischen Blick wage, dann erlebe ich auch Menschen, die auf Zirkel und Cliquen stoßen, die in sich verschlossen sind und nicht bereit, andere aufzunehmen. Gerade neu Zugezogene und Fremde suchen in unseren Gemeinden oft einen Platz, und wenn sie ihn vor Ort nicht finden, aber daran interessiert sind, in der Kirche eine Heimat zu finden, machen sie sich auf den Weg, bis sie ,ihre‘ Gemeinde gefunden haben. Die Frage, ob unsere Tore offen sind, ist nicht nur eine Frage, wie die Kirche sich zu wiederverheiratet Geschiedenen, homosexuellen Menschen, queeren Personen verhält, sondern auch eine Anfrage an jede christliche Gemeinde.“
Genn griff die Tradition des Jubeljahres aus der Geschichte des Volkes Israel auf, in dem alle 50 Jahre unter anderem Schulden erlassen wurden. „Das Heilige Jahr enthält auch Anfragen an die gesamte Gesellschaft, wie es beispielsweise mit dem Schuldenerlass gegenüber armen Ländern weltweit steht“, erklärte der Bischof. Es gehe zudem um die Frage, „ob wir den Satz aus dem ,Vater unser‘ ernst nehmen, ,wie auch wir vergeben unseren Schuldigern‘. Ordnen Sie in diesen Zusammenhang auch die fremdgewordene Wirklichkeit des Ablasses ein, mit dem wir uns schwertun, weil er durch viele Fehlentwicklungen beschädigt wurde, der aber nicht einfach ein billiger Nachlass von Sünden und Schuld ist, sondern ein Gebet sein will, die Folgen unserer Schuld, die jeder verursacht hat, abbauen zu können mit Hilfe der Gnade und der Fürsprache aller Heiligen“, wandte sich Genn an die Gläubigen. Gerade der Missbrauchsskandal habe ihm gezeigt, wie viele Wunden bleiben, obwohl vielleicht die Täter ihre Taten gebeichtet haben und Vergebung erlangt hätten. „Wir merken und wissen: Damit ist nicht alles einfach wieder gut. Wunden bleiben, manchmal lebenslang. Die Folgen, die Spuren, die diese Taten hinterlassen haben in den Herzen der betroffenen und verwundeten Menschen, sind nicht einfach mit einem Akt der Lossprechung aus der Welt“, betonte der Bischof.
Das Heilige Jahr wolle den Gläubigen Orientierung und Hoffnung schenken. Bischof Genn zitierte aus dem Gebet zum Heiligen Jahr: „Gemeinsam pilgernd sind wir unterwegs von Hoffnung erfüllt, dass dein Reich kommt“.