„Brot ist bei uns auf dem Land wie Kuchen für Euch hier“

, Stadtdekanat Münster

„Schwarzbrot“ – die Antwort von Schwester Dr. Rita Schiffer auf die Frage, was sie manchmal vermisst, überrascht die Schülerinnen der Bischöflichen Marienschule in Münster. „Nicht Familie oder Freunde?“, hakt eine Siebtklässlerin nach. „Nein, weil ich mir nichts Schöneres für mein Leben vorstellen kann,“ antwortet die 61-Jährige. Und das merkt man ihr an, als sie zuerst den mehr als 100 Schülerinnen der siebten Jahrgangsstufe und anschließend den Neuntklässlerinnen von ihrem Leben und ihrer Arbeit in Äthiopien berichtet.

Die Ordensfrau und Ärztin ist auf Einladung des katholischen Hilfswerks „missio“ zu Gast im Bistum Münster, ihrem Heimatbistum. Gebürtig stammt sie aus Sonsbeck am Niederrhein. Anlässlich des „Monats der Weltmission“ stellt sie – begleitet von „missio“-Diözesanreferent Hans-Georg Hollenhorst – ihre Wahlheimat Äthiopien vor, wo sie seit 21 Jahren das Attat-Landkrankenhaus leitet. Der zentralafrikanische Staat ist in diesem Jahr Beispielland des Weltmissionssonntags, der in diesem Jahr am 28. Oktober stattfindet. Es ist die größte Solidaritätsaktion der Katholiken weltweit.

Das Mariengymnasium habe sie für ihren Besuch nicht zufällig ausgesucht, sagt Schwester Rita: „Ich habe selbst auch eine Mädchenschule besucht, da werden Erinnerungen wach“, erinnert sie sich schmunzelnd. Mit einem kurzen Video und einer Bilderstrecke gibt sie den Mädchen Einblicke in das Leben der Kinder in Äthiopien und in ihren eigenen Alltag im Krankenhaus. Viele Einheimische leben in Hütten ohne Wasser und Strom. Wasser sei „unendlich wertvoll“ und „Brot ist für uns auf dem Land so etwas wie Kuchen für Euch hier“. Kinder machen sich oft ohne Frühstück auf den weiten Weg zur Schule und werden teilweise in kleinen Klassen unter einem Baum unterrichtet. „Und wenn es ein Schulgebäude gibt, gehören 70 bis 100 Kinder einer Klasse an und nur der Lehrer hat ein Schulbuch“, berichtet sie. 

Schwester Rita mit Kopfbedeckung

Schwester Rita demonstrierte das weiße Leinentuch, das viele Frauen in Äthiopien zum Schutz gegen die Sonne tragen.

© Bistum Münster

Das Krankenhaus mit mehr als 90 Betten sei Anlaufstelle für die Bevölkerung in einem Umkreis von 100 Kilometern und für die Ärmsten der Armen oft die einzige Hoffnung. Häufig seien Patienten tagelang zu Fuß unterwegs, hochschwangere Frauen würden kilometerweit getragen, um dort ihr Kind auf die Welt zu bringen. Doch manchmal komme die Hilfe zu spät, weiß Schwester Rita und erinnert sich an einen Fall: „Ich musste eine Patientin, die gerade ein Kind geboren hatte, verbluten lassen. Das war ein schlimmer Moment, in dem ich die große Ungerechtigkeit besonders gespürt habe, denn in Deutschland hätte man der Frau schnell helfen können.“ 

Trotz solcher Erlebnisse ist es vor allem die Dankbarkeit der Menschen, die die Ordensfrau in ihrem Dienst antreibt. Um den Schülerinnen in Münster diesen Gedanken zu verdeutlichen, forderte sie sie auf, tief ein- und auszuatmen. „Jeden Atemzug bekommen wir geschenkt. Mit diesem Gefühl durch den Tag zu gehen, ist die schönste Erfahrung überhaupt“, betonte Schwester Rita. Nachdem sie geduldig alle Fragen der Schülerinnen beantwortet hatte, lud sie die Mädchen ein, ebenfalls „Danke“ zu sagen – mit einem Lied auf Amharisch, der Landessprache Äthiopiens. „Vieles ist für Euch selbstverständlich. Macht Euch das bewusst und nutzt die Chancen, die Ihr hier habt“, ermutigte sie die Marienschülerinnen. 

Bildunterschrift: Gemeinsam mit Schwester Rita und Hans-Georg Hollenhorst sangen die Schülerinnen ein Danklied auf Amharisch, der Landessprache Äthiopiens.

Text/Fotos: Ann-Christin Ladermann