"Darf ein Christ die AfD wählen?"

, Bistum Münster

Darf ein Christ die AfD wählen? Dieser provokanten Frage ist Helene Giesler in ihrer Facharbeit im Fach Katholische Religionslehre nachgegangen. Die Schülerin des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums in Münster hatte sich dafür „mit dem Grundsatzprogramm und dem realpolitischen Auftreten der AfD vor dem Hintergrund einer biblisch-christlichen Ethik“, so der Untertitel, auseinandergesetzt. Mit ihrer Arbeit hat sie den ersten Platz des ökumenischen Facharbeitswettbewerbs belegt.

Helene Giesler (1. Platz) und Jörn Klein-Weischede (3. Platz).

Über eine Auszeichnung für ihre Facharbeiten im Fach Religion freuten sich Helene Giesler (1. Platz) und Jörn Klein-Weischede (3. Platz). Der Zweitplatzierte Philipp Emanuel Eich konnte aus terminlichen Gründen nicht an der Preisverleihung teilnehmen.

© Bistum Münster

Bei einer Feierstunde in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster am 3. Juli erfuhren die Schülerin sowie der Zweitplatzierte Philipp Emanuel Eich vom Gymnasium Paulinum in Münster, der aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, und der Drittplatzierte Jörn Kleine-Weischede vom Bischöflichen Gymnasium St. Christophorus in Werne von ihrem Erfolg. Dafür erhielten sie von der Darlehnskasse Münster gestiftete Preisgelder in Höhe von 300, 200 und 100 Euro. Ausgeschrieben hatten den Wettbewerb das Bistum Münster, die Akademie Franz Hitze Haus, die Katholisch-Theologische und die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Münster und die Evangelischen Kirchenkreise Westfalens sowie die Bezirksregierung Münster.
Die Siegerin hatte ihre Arbeit mit folgenden Zeilen begonnen: „Die ersten Worte, wenn ich an die AfD denke, sind Hass, Hetzerei und Rechtsextremismus. Die ersten Worte, wenn ich an das Christentum denke, sind Friede, Liebe und Freiheit. Ein ziemlich starker Kontrast.“ Ihre zentrale Fragestellung führte sie an den Themen „Natürliche Umwelt“ und „Migration und Asyl“ durch, rekonstruierte zunächst die Position der AfD, dann die Grundannahmen der biblischen Überlieferung und des christlichen Glaubens anhand ausgewählter biblischer Texte und kirchlicher Stellungnahmen. 

Helene Giesler kommt zu dem Schluss, dass die Verantwortung, den Garten Eden, die Natur zu hüten, sich auf die Umwelt als Ganze bezieht. „Wir sind nicht nur verantwortlich für die Bäume im Schwarzwald, genauso große Verantwortung trägt ein Christ für die Niagarafälle in den USA oder der Savanne Südafrikas“, schreibt sie. Ebenso könne ein bekennender Christ auch im Sinne der Asyl- und Migrationspolitik die AfD nicht unterstützen. „Die AfD erschafft ein Feindbild von Ausländern und Flüchtlingen. Das Christentum hat eine entschieden andere Sichtweise auf Menschen. Jedem gilt es, mit Nächstenliebe entgegenzukommen“, formuliert die Schülerin. Professor Dr. Clemens Leonhard, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, würdigte die Arbeit als „eine sowohl politisch, als auch biblisch, als auch theologisch sorgfältige, differenzierte und überzeugende Auseinandersetzung mit einem aktuellen Thema“. 

Der Zweitplatzierte Philipp Emanuel Eich hatte sich der Frage gewidmet, ob die Finanzierung der katholischen Kirche in Deutschland noch zeitgemäß ist. Nachdem er zunächst historische Aspekte untersucht hatte, stellte er die einzelnen finanziellen Einnahmequellen der Kirche dar, die er am Beispiel des Bistumshaushaltes Münster des Jahres 2016 analysierte. Auch die Haltung der Parteien zur Frage der Kirchensteuer nahm er unter die Lupe. Leonard fasste Eichs Fazit zusammen: „In einer überzeugenden persönlichen Stellungnahme spricht er sich für noch größere Transparenz über die kirchlichen Geldströme und für eine Beibehaltung der aktuellen Kirchenfinanzierung aus, weil – so die Begründung – ‚ich das Engagement der Kirche für die gesellschaftlichen, sozialen und charitativen Einrichtungen und Angebote sehr schätze und die Kirche dafür entsprechend viel Kapital benötigt.‘“

Die Facharbeit von Jörn Kleine-Weischede hatte das Thema „Jesus und das Wunder der Brotvermehrung (Mk 6,30-34) als Impuls für den Umgang mit Lebensmittelressourcen am Beispiel der Stiftung Tafel“. Er wirft darin die Frage nach den Handlungsimpulsen auf, die aus der biblischen Tradition für das heutige Problem der Umverteilung von Lebensmitteln wachsen können. Dafür hatte der Schüler das Wunder der Brotvermehrung ausgewählt, das, wie Dekan Leonhard betonte, „er reflektiert und wissenschaftlich fundiert vor allem im Hinblick auf die darin enthaltene Ethik untersucht“. Am konkreten Beispiel der Tafel zeigt Jörn Klein-Weischede, wie christlich-biblische Handlungsimpulse eine Rolle spielen können. „Er kommt zu dem differenzierten Urteil, dass ein Umdenken durchaus denkbar sei“, fasste Leonard zusammen, der seitens der Jury besonders die innovative und originelle Verbindung eines aktuellen ethischen Themas mit der alten Wundererzählung hervorhob. 

Die Preisverleihung fand zum Abschluss einer zweieinhalbtägigen Schülerakademie statt, die unter der Überschrift „Kann ein Computer beten?“ stand. Zehn Verfasserinnen und Verfasser von besonders gelungenen Facharbeiten in den Fächern evangelische und katholische Religion hatten sich dabei mit der Frage beschäftigt, wie Robotik und Digitalisierung des Alltags den Blick auf den Menschen und seine Religion verändern. 

Ann-Christin Ladermann