Der Brief des Bischofs wird in der Zelle zum Weihnachtsschmuck

, Bistum Münster, Kreisdekanat Kleve

Segenswünsche für das Weihnachtsfest und das neue Jahr schickt der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, auch in diesem Jahr an die Frauen und Männer in den Justizvollzugsanstalten (JVA), die im Bistum liegen. Gott habe für die Geburt seines Sohnes den Stall gewählt und damit „auch den Rand der Gesellschaft“, wie der Bischof den Gefangenen schreibt. „Er möchte, dass wir in den Flüchtlingslagern und den Armenvierteln der Städte der Welt nach Gottes Anwesenheit suchen. Er möchte, dass Sie in Ihrem Haftraum und in Ihrem verletzten Herzen den lebendigen Gott suchen.“

Ein Mann steht vor einer hohen Betonmauer, auf der der Schriftzug "Sehnsucht" zu lesen ist.

„Sehnsucht“ steht in großen Lettern auf den Außenmauern der JVA Geldern. Seelsorger Hans-Gerd Paus weiß, dass auch hinter diesen Mauern die Sehnsucht nach dem Weihnachtsfest groß ist.

© Bistum Münster

In der JVA im niederrheinischen Geldern wird Hans-Gerd Paus die Briefe verteilen, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht direkt an die Insassen adressiert werden können. Seit zwölf Jahren ist Paus in Geldern als katholischer Gefängnisseelsorger tätig. „Für viele Inhaftierte ist der Brief des Bischofs der einzige Weihnachtsschmuck, den sie in ihrer Zelle haben“, weiß er, „sie stellen vor der Karte mit einem weihnachtlichen Motiv eine kleine elektrische Kerze auf.“ Und das, obwohl sie ein ruhiges Weihnachtsfest im Kreise der Familie oft nie erlebt haben. „Die Sehnsucht nach Weihnachten steckt dennoch im Menschen“, sagt Paus.

Gerade in der dunklen Jahreszeit werde er besonders häufig für Gespräche angefragt – doch auch sonst landen bis zu zehn Anfragen täglich auf seinem Schreibtisch. „Die kann ich nicht alle erfüllen, ich möchte mir Zeit für die Gespräche nehmen und muss daher kategorisieren, wie wichtig oder dringend die Anfragen sind. Rund um Weihnachten sind sie fast alle wichtig und dringend.“ Da wird die Seelsorge schnell zur Krisenintervention. Sein Grundsatz ist: „Ich beurteile nicht den Grund für die Haft. Wenn ich den Menschen begegne, dann lege ich den Fokus nicht auf den Punkt, an dem etwas falsch gelaufen ist, sondern versuche, die ganze Person zu sehen. Gleich, ob mir ein Mörder, ein Betrüger oder ein Menschenhändler gegenüber sitzt.“ Oft liefen bei den Gesprächen die Tränen, „mehr, als ich es jemals in einer Gemeinde erlebt habe“, sagt Paus.

Keine falschen Versprechungen zu machen oder unbegründete Hoffnungen zu wecken, sei wichtig. „Ich habe gelernt, klar ,ja‘ oder ,nein‘ zu sagen und dabei auch zu bleiben“, berichtet der Gefängnisseelsorger. Ein Großteil seines Dienstes sei die Trauerarbeit, „wenn die Männer hier erleben, dass sich nach einiger Zeit jemand plötzlich nicht mehr meldet und den Kontakt abgebrochen hat.“ In Geldern sitzen die meisten Insassen eine mindestens zweijährige bis lebenslange Haftstrafe ab, viele haben zuvor schon andere Gefängnisse kennengelernt. „Das ist für viele hier nicht das erste Weihnachten, das sie in Haft erleben“, sagt Paus. Er wird auch an den Feiertagen für die Gefangenen da sein, mit ihnen Weihnachtsgottesdienste feiern und selbstgebackene Plätzchen mitbringen. Er lächelt: „Ich bin gerne hier. Weihnachten ohne ,meinen Knast‘, da würde mir etwas fehlen.“ 

Christian Breuer