„Die Gleichgültigkeit schreit zum Himmel“

, Kreisdekanat Warendorf

„Wir alle haben es in der Hand.“ Mit diesem Appell hat Weihbischof Dr. Stefan Zekorn am 12. Juli in der Landvolkshochschule in Freckenhorst deutlich gemacht, dass jeder Einzelne dazu beitragen kann, aus „dem Fluch der Globalisierung einen Segen“ zu machen. Entscheidend sei die Frage, wie Globalisierung gestaltet werde. Der Weihbischof sprach beim 4. Freckenhorster Forum zum Thema „Globalisierung – Fluch und Segen zugleich?“ aus der Perspektive der christlichen Soziallehre und ging dabei der Frage nach, wie die weltweiten Verflechtungen sozial gerecht zu gestalten sind, um Flucht und Armut zu vermeiden.

Die amerikanische Perspektive nahm Klaus Prömpers, langjähriger Leiter der ZDF-Studios in Brüssel, Wien und New York, in den Blick. Seit der Wahl von Donald Trump als US-Präsident gehe die amerikanische Politik von „America first“ („Amerika zuerst“) aus, was spürbare Konsequenzen für die globale Wirtschaft und Politik, vor allem für Europa nach sich ziehe. Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf, betrachtete die Situation aus der Perspektive des Handwerks und beschäftigte sich mit der Frage, wie zumeist familiär geführte und lokal agierende Handwerksunternehmen am besten auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren können.

Weihbischof Zekorn hob beim Thema Gestaltung der Globalisierung drei Aspekte hervor. Deutliche Worte fand er im Zusammenhang mit der Solidarität mit den Migranten. „Das Mittelmeer ist zu einer Todeszone geworden, in der Menschen bewusst sterben, indem wir menschlich und gesetzlich gebotene Rettung unterlassen. Diese Gleichgültigkeit schreit zum Himmel.“ Um Migration einzudämmen, müsse den Menschen eine Chance gegeben werden. „Der Marshallplan mit Afrika weist schon einen Weg, wir müssen ihn jetzt nur gehen“, betonte der Weihbischof. Zur Lösung beitragen könne die Entwicklung des Handwerks in Afrika, die politisch begleitet werden müsse. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann können auch mittelständische Handwerksbetriebe wichtige Beiträge für die Entwicklung leisten.“  

Im Umgang mit der Schöpfung, erklärte Zekorn, müsse die grundlegende ethische Leitperspektive für wirtschaftliches Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit sein. „Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern notwendig, damit wir alle auf der Erde überleben können“, betonte er. Es gehe darum, wie mit Boden, Wasser sowie pflanzlichen und tierischen Ressourcen so umgegangen werde, dass es technisch sinnvoll, wirtschaftlich rentabel und sozial verträglich sei. Zum Thema „Fairer Handel“ rief er dazu auf, den Export so zu gestalten, dass er der Entwicklung in südlichen Ländern nicht schade. „Unser Einkaufsverhalten entscheidet über Leben und Tod von Menschen“, sagte Zekorn und verdeutlichte dies an einem Beispiel: „Wie wir Orangen einkaufen, bestimmt darüber, ob über afrikanische Arbeiter in Südspanien die Drohne mit Pflanzenvernichtungsmittel fliegt und sie genauso besprüht wie die Orangen.“ 

Nicht nur als Fluch, sondern auch als Chance bezeichnete Prömpers die Globalisierung. Er rief dazu auf, sich stärker für die Demokratie zu engagieren: „Nicht nur die Tagesschau oder das Heute-Journal schauen, sondern zu Parteiveranstaltungen gehen, neue Parteien bilden oder sich in Interessensverbänden einbringen.“ Mehr Realismus und weniger Emotionen benötige die Politik. „Die Demokratie ist bedroht und in dieser globalisierten Welt, in der Facebook, Twitter und Instagram eine wesentliche Rolle spielen, wird die Wahrheitsfindung immer schwieriger“, erklärte Prömpers. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich sogenannte „Fake News“ sehr viel schneller verbreiteten als die Wahrheit. Korrekturen von „Fake News“ dagegen sehr viel langsamer als die „Fake News“ an sich. „So entsteht eine Lawine von falschen Nachrichten, die nur schwer zu stoppen ist“, fasste er zusammen. 

Frank Tischner hatte ebenfalls eine klare Botschaft mitgebracht: „Es geht nicht ohne den Mittelstand.“ Es gelte dabei, den Spagat zwischen Fachlichkeit auf der einen und der Digitalisierung auf der anderen Seite zu schaffen. Als tragende Säule des Mittelstandes galt Tischners Augenmerk besonders dem Handwerk. In Deutschland gebe es rund eine Million Betriebe – inhabergeführt, mit einer engen persönlichen Bindung an Mitarbeiter und Auszubildende und einer tiefen Verwurzelung in der Region. „Wo bleibt da die Wertschätzung?“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer. Es müsse sich ein neues Selbstverständnis entwickeln, das Handwerk selbst müsse für ein besseres Image sorgen. „Wir haben eine besondere Verantwortungskultur, die untrennbar mit der Tradition der Familienunternehmen verbunden ist und die vom ehrenamtlichen Engagement von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen wird“, betonte er. 

Bildunterschrift:

Landvolkshochschul-Direktor Michael Gennert begrüßte zum 4. Freckenhorster Forum Weihbischof Dr. Stefan Zekorn, Klaus Prömpers und Frank Tischner (von rechts). 

Text/Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann