"Die Wahrheit muss auf den Tisch"

, Bistum Münster, Kreisdekanat Borken

Martin Schmitz hatte sich als Betroffener ans Bistum Münster gewandt und danach war der Fall im vergangenen November öffentlich geworden. Auch Monate nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle durch den inzwischen verstorbenen Kaplan Heinz Pottbäcker sind Wut und Fassungslosigkeit in Rhede groß. Bei einem Podiumsgespräch, zu dem die Pfarrei St. Gudula am 9. April ins Pfarrheim „Zur Heiligen Familie“ eingeladen hatte, wurde dies ebenso deutlich formuliert wie die Forderung nach sorgfältiger Aufarbeitung. Viele fragen sich noch immer, wie es dazu kommen konnte, dass Pottbäcker als Kaplan in Rhede von 1971 bis 1973 nachweislich Kinder sexuell missbraucht hat. Als Experten nahmen an der Diskussion neben Martin Schmitz auch der Diplom-Theologe und Psychotherapeut Michael Siewering sowie Propst Jürgen Quante aus Recklinghausen, wo Kaplan Heinz Pottbäcker nach seiner Zeit in Rhede tätig war, teil. Diplom-Psychologin Gabriele Beisenkötter war Anwältin für Fragen und Statements aus dem Publikum. Das Gespräch wurde moderiert von Supervisor Michael Sandkamp.

Diskussion an Stehtischen: Propst Jürgen Quante, Michael Sandkamp, Martin Schmitz und Michael Siewering.

Die Gesprächsteilnehmer auf dem Podium waren sich einig, dass die katholische Kirche den Missbrauchsskandal aufarbeiten und daraus Konsequenzen ziehen muss (von links): Propst Jürgen Quante, Michael Sandkamp, Martin Schmitz und Michael Siewering.

© Bistum Münster

Martin Schmitz betonte gleich zu Beginn, dass es wichtig sei, die Fälle öffentlich zu machen: „Wir müssen die Mauer des Schweigens durchbrechen, nur so hat die Prävention eine Chance, nur so können wir für die Zukunft etwas bewirken.“ Er appellierte an andere Betroffene, den Mut zu haben, sich an die entsprechenden Stellen zu wenden. In Recklinghausen, berichtete Propst Quante, habe sich bislang noch niemand gemeldet, „obwohl wir wissen, dass es auch hier Übergriffe durch Kaplan Pottbäcker gegeben hat“.

Schmitz bedauerte in diesem Zusammenhang, dass nach seinen Erfahrungen Informationen über Missbrauchs- oder Verdachtsfälle innerhalb der kirchlichen Strukturen nicht weitergegeben wurden. Er forderte von den Verantwortlichen eine schnellere Aufarbeitung der Anzeigen: „Es muss endlich gehandelt und nicht immer nur geredet werden.“ Die zaghaften Ansätze der zurückliegenden Monate würden nicht reichen.

Der Zölibat, glaubte Quante, sei nicht der einzige Grund für den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, aber eine mögliche Einflugschneise für potenzielle Täter: „Wir müssen lernen, über Sexualität zu sprechen“, sagte der Propst. Bei allem Bemühen zeigte er sich allerdings auch realistisch: „Wir können den Missbrauch nicht ausrotten, aber wir müssen daran arbeiten, dass er nicht weiter vertuscht wird.“

Einig waren sich alle auf dem Podium, dass Missbrauch ein schweres Verbrechen und nicht wieder gut zu machen sei. „Die Taten sind so gewaltig“, ließ Quante keinen Zweifel an seiner eigenen Ohnmacht: „Wir müssen uns als Kirche fragen, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben.“

Nicht nur die Täter, auch die, die von den Missbrauchsfällen gewusst haben, will Schmitz zur Verantwortung ziehen und forderte die Mitwisser auf, persönliche Konsequenzen zu ziehen und, sofern noch im Dienst, von ihren Aufgaben zurückzutreten.

„Wir müssen Zeichen für einen Neuanfang setzen“, so die Meinung aller im Pfarrheim: „Das Bekanntwerden des Skandals muss Folgen haben, wir wollen keine Floskeln mehr hören, die Wahrheit muss auf den Tisch.“

Das Podiumsgespräch war von einer Arbeitsgruppe der Pfarrei vorbereitet worden, in der neben Pfarrer Thorsten Schmölzing und Mitgliedern aus Pfarreirat und Kirchenvorstand auch Betroffene mitarbeiten. Diese wird fachlich beraten von der Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) in Bocholt, Claudia Hardeweg, sowie seitens des Bistums Münster von Gabriele Beisenkötter und Michael Sandkamp.  

Gudrun Niewöhner