„Die Welt brennt“

„Unser Planet ist zu retten, aber nur, wenn wir uns alle zusammenschließen und bereit sind, Opfer zu bringen. Damit alle gut leben können, müssen manche mit weniger leben, als sie es heute tun.“ Kardinal Pedro Ricardo Barreto Jimeno, Erzbischof von Huancayo in Peru, fand am Abend des 2. Dezember in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster deutliche Worte. Mit dem Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, diskutierte Barreto auf Einladung von Adveniat, dem Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, der Fachstelle Weltkirche des Bistums Münster und der Akademie Franz Hitze Haus über die Umweltbelastungen in Amazonien und über aktuelle Herausforderungen für die Kirche.

(V.l.) Thomas Wieland, Carolin Kronenburg (beide Adveniat), Kardinal Pedro Ricardo Barreto, Bischof Felix Genn und Akademiedirektor Antonius Kerkhoff beim Diskussionsabend in der Akademie Franz Hitze Haus.

(V.l.) Thomas Wieland, Carolin Kronenburg (beide Adveniat), Kardinal Pedro Ricardo Barreto, Bischof Felix Genn und Akademiedirektor Antonius Kerkhoff beim Diskussionsabend in der Akademie Franz Hitze Haus.

In Peru kämpft Kardinal Barreto gegen die Umweltzerstörung und Gesundheitsgefährdung durch den Bergbau. Insbesondere setzt er sich für die Rechte der Indigenen und die Bewahrung der Schöpfung im Amazonasgebiet ein. Im Rahmen der Adveniat-Weihnachtsaktion unter dem Motto ‚Friede! Mit Dir!‘ ist er derzeit im Bistum Münster zu Gast. 

Beim Gesprächsabend in der Akademie Franz Hitze Haus schilderte Barreto die Situation in der Bergbaustadt La Oroya im Erzbistum Huancayo. La Oroya sei vor der durch die Kirche erreichte Schließung der Bleihütte eine der fünf am stärksten verschmutzten Städte der Welt gewesen. Gerade Kinder haben so viel Blei im Blut, dass ihre Gesundheit massiv gefährdet ist. Gegen ihn selbst gebe es wegen seines Einsatzes für die Bevölkerung Morddrohungen. „Ich habe aber mit meinem Kampf gegen die Zerstörung der Umwelt auch nicht aufgehört, als vor meinem Haus ein Sarg mit meinem Namen und einer Mitra stand. Denn ich sehe meine Aufgabe darin, das Leben der Menschen zu schützen.“ Barreto dankte den Jugendlichen der weltweiten Bewegung „Fridays for Future“:  „Die jungen Leute rufen uns ins Ge-dächtnis: Unsere Welt brennt.“ Der Brand könne nur gelöscht werden, wenn gerade die Menschen in wohlhabenden Ländern bereit seien, ihr Konsumverhalten zu verändern: „Wir wollen keine Produkte mehr, die auf Kosten anderer hergestellt werden. Das muss die Botschaft sein“, sagte der Kardinal und betonte: „Mit dem Kapitalismus können wir nicht überleben. Wir brauchen ein neues Wirtschaftssystem.“

Hierbei könne man von den indigenen Bevölkerungsgruppen viel lernen. Alleine in Amazonien gebe es hiervon 390 mit mehr als 240 verschiedenen Sprachen. „Wir brauchen im Sinne der indigenen Völker eine kulturelle Umkehr, die dazu führt, ‚Mutter Erde‘, wie die Indigenen sagen, mehr zu respektieren.“ Diese kulturelle Umkehr habe auch die Amazons-Synode geprägt, die im Oktober auf Einladung von Papst Franziskus in Rom stattgefunden habe. Dort seien die Indigenen zum ersten Mal als selbstbewusste Personen im Raum der Kirche aufgetreten: „Die Kirche bekommt ein amazonisches Gesicht. Papst Franziskus ist es wichtig, die Unsichtbaren sichtbar zu machen.“

Während in der Berichterstattung über die Synode oft die Themen der Weihe verheirateter Männer zu Priestern oder der Gemeindeleitung durch Frauen im Mittelpunkt gestanden hätten, hätte bei der Synode selbst die „Sorge um das gemeinsame Haus“ eine deutlich wichtigere Rolle gespielt. Dank Papst Franziskus sei in einem Klima großer Freiheit eine offene Diskussion möglich gewesen. „Im Dreischritt ‚Hören – Unterscheiden – Handeln‘ wurden Vorschläge entwickelt, die von der großen Mehrheit mitgetragen wurden: Die Kirche ist nicht gespalten“, sagte Barreto. Wenn es, auch von Kardinälen, Angriffe gegen Papst Franziskus und die Indigenen gebe, dann seien diese von einem doktrinären Ungeist und von Unkenntnis geprägt: „Niemand kann etwas lieben, was er nicht kennt.“

Bischof Genn griff die Aussagen von Kardinal Barreto zur Amazonas-Synode für den gerade begonnen Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland auf: „Wir müssen bereit sein, uns während dieses Prozesses auch überraschen zu lassen.“  Genn, der im März dieses Jahres selbst Peru und die Amazonasregion in Brasilien bereist hatte, sagte, dass die Amazonas-Synode bei ihm zu einer weiteren Sensibilisierung geführt habe: „Die Zukunft unseres Planeten hängt von unserem Konsumverhalten ab. Das ist eine Frage an den persönlichen Lebensstil, auch an meinen eigenen.“ Die Zerstörung riesiger Waldgebiete in Amazonien sei „eine fundamentalte Sünde gegen die Schöpfung“.

Es bleibe ein „ständiger Stachel im Fleisch“, dass die Kirche in Deutschland eine reiche Kirche sei, auch, wenn sie so in der Lage sei, anderen zu helfen. „Es bleibt aber die Herausforderung, dass wir nicht länger auf Kosten der Armen leben dürfen. Die unglaubliche Armut, die ich in Peru und Brasilien gesehen habe, hat mich tief beeindruckt. Das zerreißt mir das Herz, macht mich unruhig, und hier spüre ich auch eine gewisse Ohnmacht“, sagte der Bischof von Münster. Umso wichtiger sei es für ihn, den Menschen aus Amazonien mit Respekt zu begegnen, sich mit Ratschlägen an sie zurückzuhalten und sich selbst und sein eigenes Konsumverhalten immer neu zu überprüfen.

Die Veranstaltung wurde moderiert von Carolin Kronenburg, Pressesprecherin von Adveniat.
Die Übersetzung leistete Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung bei Adveniat.