Ehemalige IS-Geisel Jacques Mourad: „Wir müssen auf Gewalt verzichten“

, Kreisdekanat Kleve, Kreisdekanat Wesel

Die Friedensaktionen der Aktion pro Humanität (APH) am Niederrhein gehen auch in Zeiten der Coronakrise weiter. Die Organisation aus Kevelaer macht sich dabei für Freimut, Toleranz, Solidarität und Frieden stark. So gab es in diesem Jahr bereits eine Veranstaltung auf einem Reiterhof in Keppeln und die szenische Lesung „Franziskus trifft den Sultan“ im Klarissenkloster Kevelaer, ein Projekt des „Interreligiösen Arbeitskreis Darmstadt“.

Pater Jacques Mourad im Porträt.

Pater Jacques Mourad stellte bei der Friedensaktion im Xantener Dom sein Buch „Ein Mönch in Geiselhaft“ vor. Darin schildert er seine fünfmonatige Gefangenschaft bei der Terrororganisation IS.

© Bistum Münster

Schauplatz der jüngsten Friedensaktion war nun der Xantener Dom. Hier sprach Pater Jacques Mourad über seine Zeit als Gefangener. Fünf Monate lang war der syrische Ordensmann in der Gewalt der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Nach seiner Freilassung ist es ihm ein großes Anliegen, anderen von der Situation in Syrien und seinen Erfahrungen der Gefangenschaft zu berichten.  

Rund 60 Gäste waren in den Dom gekommen, um den Worten des Seelsorgers zu lauschen. Nach einem kurzen Klarinettenspiel von Annemarie Ouwens zur Einstimmung wurden sie und der Referent vom Hausherrn, Propst Stefan Notz, begrüßt. „Schon in seiner Kindheit keimte der Wunsch auf, Priester zu werden“, stellte danach Weihbischof Rolf Lohmann den Referenten des Abends vor. Jacques Mourad sei als ältestes von fünf Kindern in Aleppo aufgewachsen, liebe Musik und Bildhauerei und habe sich nach seinem Abitur endgültig dazu entschlossen, katholischer Priester zu werden. Sein Weg habe ihn schließlich in die Jabal al-Qalomoun-Berge geführt, wo Mourad gemeinsam mit dem italienische Jesuit Paolo Dall’Og-lioder die syrischen Ordensgemeinschaft Mar Musa al-habashi (Heiliger Moses von Abessinien) gründete. Das Kloster und seine Gemeinde hätten sich von Anfang an für einen islamisch-christlichen Dialog eingesetzt. Dennoch sei zunächst 2013 Pater Paolo vom IS verschleppt worden. Im Mai 2015 wurden auch Pater Jaques, sein Novize und weitere 250 Mitglieder seiner Gemeinde von IS-Kämpfern entführt. Die Milizen der Terrororganisation zerstörten zudem große Teile des Klosters.

Bevor der syrische Gast von seinen Erlebnissen erzählte, entzündete er zunächst die vom Weihbischof gesegnete Friedenskerze. „Sie soll als Aufleuchten des Friedens stehen“, erklärte Lohmann, „für alle Menschen in Syrien, gleich welcher politischen und religiösen Gruppierung sie angehören.“ Sie sei ein Zeichen, dass der Wille zur Versöhnung, zum Frieden, zum Miteinander Herz und Geist beseelt. Die Kerze wurde nach der Veranstaltung Pater Jacques Mourad mitgeben für das Kloster Mar Elian in der syrischen Wüste. 

Anschließend lauschten die Besucher gebannt den Worten des Paters und der APH-Vorsitzenden, Dr. Elke Kleuren-Schryvers, die Passagen aus dem Buch vorlas. Mourad erklärte, dass die Erinnerungen an den Tag der Verschleppung noch allgegenwärtig seien. Der Schmerz sei zwar noch da: „Im Nachhinein ist die Erfahrung der Gefangenschaft aber eine Zeit der Gnade.“ Prägend für sein weiteres Leben sei vor allem der achte Tag gewesen. Als ein führender IS-Kämpfer mit drei bewaffneten Dschihadisten in seine Zelle kam, dachte Mourad zunächst, die Zeit seines Todes sei gekommen. Stattdessen schickte der Anführer jedoch die Bewaffneten hinaus und unterhielt sich mit dem Pater fast eine Stunde über die Religionen. „Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich nicht zum Tode verurteilt war“, erinnert sich der Pater. „Ich durfte im Dialog den Frieden erleben.“ Denn sein Gegenüber habe nicht mit Gewalt reagiert.

Auch das Ende ihrer Geiselhaft durch eine Erklärung des Kalifats hätten er und seine Gemeindemitglieder der Tatsache zu verdanken, dass sie als Christen nie die Waffen gegen Muslime eingesetzt hätten. Der Geistliche ist sich sicher: „Wir müssen auf Gewalt verzichten und stattdessen auf Brüderlichkeit und Gleichheit setzen“. Seiner Ansicht nach sei der „Islamische Staat“ als Bewegung sogar ein sehr interessantes Studienobjekt: „Wir müssen verstehen lernen, warum er existiert und dass er sich in anderer Form wiederholen kann.“ Deshalb sei auch das Zuhören so wichtig. Denn der Friede würde nie für sich alleine stehen. „Jeder von uns möchte die Freiheit, die innere und die materielle“, sagte Mourad. „Das ,Wie?‘ ist die Frage, die sich jeder stellen muss.“ Aber man dürfe dabei den Nachbarn nicht außer Acht lassen. „Denn nur wenn es dem Nachbarn gut geht, dann geht es auch dir gut.“ Das würde zwar auch für Europa gelten, aber ganz speziell für Syrien und seine Nachbarländer. Und an die Besucher appellierte er: „Das Reich Gottes fällt nicht vom Himmel. Die Menschen müssen etwas dafür tun.“

Zum Abschluss des Abends beteten Propst Notz, Weihbischof Lohmann und Pater Mourad in die Krypta an den Gräbern der Märtyrer ein gemeinsames Friedensgebet.  

Christian Schmithuysen