Ehemalige Ministerpräsidentin tauscht sich mit Krankenhausseelsorgern aus

, Bistum Münster

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Es ist dieses Bibelwort, das aus Sicht der ehemaligen Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, Seelsorgende auf eine Ebene mit Pflegepersonal und Medizinern stellt. „Wenn wir es ernst nehmen, was in der Bibel steht, dann ist die Sorge um den seelischen Zustand eines Menschen ebenso wichtig wie Essen, Trinken und der Gesundheitsschutz“, verwies die Politikerin auf die ganzheitliche Sicht des Menschen. Lieberknecht tauschte sich am 27. Januar auf Einladung der Beratergruppe im Bistum Münster für ethische Fragen per Videokonferenz mit Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorgern des Bistums aus. Im Mittelpunkt stand die Rolle der Kirchen in der Corona-Pandemie und die unverzichtbare Aufgabe der Seelsorge gerade auch im Bereich der Krankenhäuser.

Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht war zu Gast in der virtuellen Runde der Beratergruppe im Bistum Münster für ethische Fragen sowie Krankenhausseelsorgenden.

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Die ehemalige Ministerpräsidentin hatte den Kirchen im Mai 2020 ein Versagen in der Corona-Krise vorgeworfen. „Die Kirche hat in dieser Zeit Hunderttausende Menschen allein gelassen: Kranke, Einsame, Alte, Sterbende“, hatte Lieberknecht damals im Interview mit der „Welt“ erklärt. Aus Sicht des Referenten für die Krankenhausseelsorger im Bistum Münster, Pfarrer Dr. Leo Wittenbecher, ist diese Aussage zumindest im Hinblick auf die Praxis im Bistum Münster so zu pauschal, doch gelte es aus der Rückmeldung zu lernen.

Im Gespräch mit den Krankenhausseelsorgern bezeichnete Lieberknecht ihre Äußerungen als Hilferuf und mahnte zur Differenzierung: Sehr wohl wisse sie um das Engagement vieler Seelsorgenden, die trotz der Einschränkungen in Krankenhäusern und Altenhilfeeinrichtungen für die Menschen da gewesen seien und es noch immer sind. „Was mir gefehlt hat, war eine klare Position der Amtskirche, die eine öffentliche Debatte über den Umgang mit sterbenden Menschen ausgelöst hätte.“ Positiv habe sie den Lernprozess der Kirche mit Blick auf den derzeitigen zweiten Lockdown wahrgenommen. „Die Kirchen haben sich nach einer anfänglich zögernden Haltung ganz klar positioniert und Vorschläge gemacht für Seelsorge an Einsamen, Kranken und Sterbenden“, sagte Lieberknecht. Kranke und alte Menschen dürften nicht mehr völlig isoliert werden, habe es auch von politischer Seite geheißen. „Diese Erkenntnis ist eine Folge der gesellschaftlichen Debatte“, ist sich Lieberknecht sicher.

Trost und Hoffnung geben, das seien Kernaufgaben der Kirche, die „nicht irgendeine zivilgesellschaftliche Organisation“ sei. „Auf ihr Wort verlassen sich die Menschen besonders in Krisen und Katastrophen. Und die Corona-Pandemie bringt viele Katastrophen im Kleinen und Großen hervor.“ Lieberknecht ermutigte die Krankenhausseelsorger, stärker von ihren Wurzeln her zu argumentieren. Mit der Frohen Botschaft verfüge sie über ein Alleinstellungsmerkmal. „Wir leben in einer pluraler werdenden Gesellschaft, in der man Unterscheidbarkeiten nicht verstecken, sondern bewusst zu ihnen stehen sollte“, forderte sie.

Bewegt zeigte sich Lieberknecht von den vielfältigen, teils sehr persönlichen Schilderungen der Krankenhausseelsorger aus der Praxis und dankte ihnen und den vielen Kolleginnen und Kollegen für ihren Einsatz. Besonders einen Gedanken, den eine Seelsorgerin zuvor formuliert hatte, nahm die Politikerin aus dem Austausch mit: „Die Kirche muss den Menschen Raum geben, einen Raum für Begegnung, für Ängste und Unsicherheiten, für Trauer und Hoffnung.“

Hintergrund

Die Beratergruppe für ethische Fragen im Bistum Münster wurde zu Beginn der Corona-Pandemie durch Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp eingerichtet. Sie steht den Krankenhäusern, insbesondere den Einrichtungsleitungen, Ärztinnen und Ärzten, Pflegenden und Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorgern beratend zur Seite stehen, wenn es darum geht, entsprechende Verfahrensregelungen ethisch zu reflektieren. Die Gruppe ist beim Referenten für den Bereich der Krankenhausseelsorger im Bischöflichen Generalvikariat, Pfarrer Dr. Leo Wittenbecher, angesiedelt. Neben ihm gehören dem Kreis an Diakon Bernhard Rathmer aus Rheine, Diakon Dr. Hermann Opgen-Rhein aus Lünen, Pastoralreferentin Brunhilde Oestermann-Giersch aus Werne, und Dr. Boris Krause, theologischer Referent beim Diözesancaritasverband Münster. Kooptiertes Mitglied ist Norbert Jömann, Geschäftsführer des Klinischen Ethik-Komitees an der Uniklinik Münster.

Ann-Christin Ladermann
 

Mit Thüringens ehemaliger Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (zweite Reihe von oben, links) tauschten sich rund 30 Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger aus dem Bistum Münster aus.

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