Ehemaliger Hochaltar des Münsteraner Doms wieder mit Reliquienschatz

Der Paulusaltar, ehemals Hauptaltar des Münsteraner Doms und jetzt im Westwerk der Kirche aufgestellt, zeigt während des Domjubiläums wieder seinen Reliquienschatz.

In einer aufwändigen Aktion brachten heute Mitarbeiter der Domkammer die mittelalterlichen Reliquiare von der Domkammer zum Altar. Die ersten beiden Silberreliquiare, eine Madonna von 1260/70 und einen Pauluskopf aus der Zeit um 1380, trugen Dompropst Kurt Schulte und Domkapitular Dr. Klaus Winterkamp persönlich in den Dom. Das Medieninteresse daran war groß, schließlich ist es das erste Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs, dass die Reliquiare wieder öffentlich an ihrem ursprünglichen Ort im alten Hochaltar gezeigt werden. Selbst die "Sendung mit der Maus" hatte ein Kamerateam für einen Beitrag geschickt.

Der 1622 im Auftrag des Domkapitels von Gerhard Gröninger angefertigte Altar bietet hinter seinen Klappflügeln Platz für 57 Reliquiare, in denen über zweihundert Reliquien des mittelalterlichen Reliquienschatzes aufbewahrt werden. Mit Ausnahme der Apostelstatuetten, die sich seit 1956 im neuen Zelebrationsaltar des Domes befinden, sind die Reliquiare ansonsten seit 1981 im Erdgeschoss der Domkammer ausgestellt. Ihre Identifikation und Herkunft ist nicht immer eindeutig. Wertvolle Informationen über den ursprünglichen Reliquienbestand und seine Aufbewahrung in den einzelnen Reliquiaren liefern die Inventarverzeichnisse des Domes von 1622 und 1736.

Schon morgens ab 10.00 Uhr hatten Mitarbeiter der Domkammer begonnen, die wertvollen Stücke in Transpostkisten zu verpacken. Bis in die Morgenstunden des Freitags dauerte die Aktion inklusiver aller Sicherheitsvorkehrungen. Die Aufstellung der Reliquiare folgt einem klaren ikonografischen Programm. In der oberen Reihe stehen 14 Prophetenbüsten aus der Zeit um 1390/1400 auf kleinen Konsolen. Sie symbolisieren die Zeit der Prophetie und sind Vertreter der Zeit vor Christi Geburt. Zwei der Prophetenbüsten enthalten Reliquienpartikel unterschiedlicher Heiliger, darunter Reliquienpartikel der Heiligen Fabian und Sebastian. In den beiden mittleren Nischenreihen stehen die 12 Apostel aus der Zeit zwischen 1350 und 1370. In der großen Mittelnische repräsentieren die Thronende Madonna, datiert um 1260/70, und die Apostelfürsten Petrus und Paulus die Zeit der Erscheinung Christi. Überliefert ist, dass der hl. Liudger zur Bistumsgründung im Jahre 805 zahlreiche Reliquien in Rom erhielt, darunter Reliquien aller Apostel. Die Thronende Madonna barg ursprünglich eine Reliquie der Geißelsäule und weitere Reliquienpartikel. Im unteren Bereich stehen Reliquiare mit Reliquien unterschiedlicher Märtyrer und Heiligen, die die Zeit der Nachfolge Christi versinnbildlichen, unter ihnen mehrere Reliquien des Hl. Paulus, dem Apostelfürsten und Patron der münsterschen Kathedrale: zwei Kopfreliquiare (um 1050/60 bzw. um 1380), ein Handreliquiar (um 1480/90) und der sog. Doppelpokal (um 1250) mit einer Blutreliquie des Hl. Paulus.

Die heilsgeschichtlich orientierte Ordnung der Reliquiare macht bis heute deutlich, dass sie früher nicht nach ihrem kunsthistorischen oder materiellen Wert, sondern als Heil- und Heiligtümer betrachtet wurden. Ihr sakraler Wert ergibt sich aus der immensen Bedeutung der Heiligen für frühere Gläubige. So wurden ihre Reliquien verehrt in der Überzeugung, dass in der Gegenwart sterblicher oder sonstiger Überreste eines Heiligen der Himmel offen steht.

Am Freitag um 12.15 Uhr wird Dompropst Kurt Schulte den Altar im Rahmen eines Gottesdienstes der Öffentlichkeit präsentieren. Am Sonntag, den 28. September, sind die Gläubigen um 15 Uhr zu einer feierlichen Vesper vor den Altar im Westchor eingeladen.

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Text: Ludger Heuer, BMO
Kontakt: Ludger.Heuer[at]bmo-vechta.de