Ein Preisschild auf jedes Gesetz

, Bistum Münster

Unternehmer klagen nicht selten über „immer mehr Papierkram“. Ein Bürokratieabbau wäre hilfreich. „Wir können eine positive Veränderung in der Gesetzgebung verzeichnen hin zu einem besseren Kostenbewusstsein“, erklärte Hanns-Eberhard Schleyer, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates, am 10. September im Franz Hitze Haus in Münster. Schleyer sprach dort beim Unternehmertreffen des Bistums Münster zum Thema „Bürokratielasten und Bürokratieabbau“.

Als Gastgeber begrüßte Bischof Dr. Felix Genn die mehr als 200 Gäste. Auch wenn er selbst wohl nie „ein Fachmann für Bürokratie, Leitungsstrukturen, Prozessmanagement und Unternehmertum“ werde, sei er täglich mit Verwaltungsvorgängen umgeben. Er verwies auf das Subsidiaritätsprinzip als Teil der katholischen Soziallehre, nach dem die kleinsten Einheiten so weit wie möglich selbstbestimmt und in eigener Verantwortung gesellschaftliche Aufgaben übernehmen sollen und nur bei Schwierigkeiten Hilfe von einer höheren Instanz erhalten. „In vielen Bereichen kann kritisch hinterfragt werden, ob das Ausmaß der Bürokratisierung noch mit der Forderung des Subsidiaritätsprinzips in Übereinstimmung geht“, stellte Genn fest. 

„Ein Preisschild auf jedes Gesetz“, hatte der Referent seinen Vortrag salopp überschrieben. Das sowie verbesserte rechtliche Normen und verbindliche Anordnungen, dafür setze sich der Nationale Normenkontrollrat mit Sitz in Berlin ein. Seit 2006 unterstützt und berät das unabhängige Expertengremium die Bundesregierung beim Bürokratieabbau. Schleyer berichtete von Erfolgen: „Durch unsere Arbeit konnte in den ersten sechs Jahren bereits ein Viertel der Informationspflicht für Unternehmen abgebaut werden, das bedeutet umgerechnet 12,5 der ursprünglich 50 Milliarden Euro.“

Neben einer Reduzierung der Kosten setze sich der Normenkontrollrat für eine Verbesserung der Transparenz gesetzlicher Regelungen im Blick auf das ein, was sie in ihrer Umsetzung für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen tatsächlich bedeuten. Evaluierung laute das Stichwort: „Eine gute Evaluierung nach einigen Jahren macht sichtbar, ob die Ziele erreicht wurden und Nebenfolgen eingetreten sind“, verdeutlichte Schleyer. Mit der „One-in-one-out“-Regel, die der Normenkontrollrat 2015 aufgestellt habe, lassen sich zudem weitere Folgekosten begrenzen: „Wird eine gesetzliche Regelung verabschiedet, deren Folgekosten die Wirtschaft belasten, muss an anderer Stelle eine gleichwertige Entlastung geschaffen werden“, erklärte Schleyer das Prinzip. 

Deutlichen Handlungsbedarf sieht der Normenkontrollrat beim Thema „E-Government“. „Bei der Digitalisierung der Verwaltung liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer noch zurück“, kritisierte der Referent. Die Einrichtung eines Digitalrates, der die Bundesregierung künftig berät, wertet Schleyer als positives Zeichen.

Auch strukturelle Fragen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Normenkontrollrates. Schleyer appellierte an die Unternehmer: „Sie haben eine Bringschuld. Die Unternehmen müssen uns sagen, wo der Schuh drückt. Wir sind darauf angewiesen, damit wir uns auch weiterhin effizient für einen Bürokratieabbau einsetzen können.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die Dr. Martin Dabrowski vom Franz Hitze Haus moderierte, kam Schleyer mit Gunnar Sander, Geschäftsführer der Sander Pflege GmbH mit Sitz in Emsdetten, Hans-Bernd Wolberg, ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DZ Bank AG in Münster, und dem Publikum ins Gespräch. Dabei verwies Sander unter anderem auf den hohen bürokratischen Aufwand im Pflegesektor: „Viele leiden massiv darunter, weil deutlich weniger Zeit für die Patienten bleibt.“ Ein Pilotprojekt der Sander Pflege GmbH nach dem Vorbild eines niederländischen Pflegekonzepts soll Änderung bringen. „Kleine Pflegeteams organisieren sich selbst: Neue Patienten, Dienstpläne, Bewerbungen – alle entscheiden mit, einen Chef gibt es nicht“, führte er aus. Bislang werde an drei ausgewählten Standorten erfolgreich nach diesem Konzept gearbeitet, bei dem die ganzheitliche Versorgung mit geringerem bürokratischem Aufwand im Mittelpunkt steht.

Bildunterschrift: Über „Bürokratielasten und Bürokratieabbau“ tauschten sich (von links) Gunnar Sander, Martin Dabrowski, Hans-Bernd Wolberg, Hanns-Eberhard Schleyer, Bischof Felix Genn und Akademiedirektor Antonius Kerkhoff vom Franz Hitze Haus aus.

Text/Foto: Ann-Christin Ladermann