Eine-Welt-Aktive diskutieren Tücken des Welthandels

, Bistum Münster

Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA oder EPA sind für Entwicklungsländer von Nachteil. Nur scheinbar gleichberechtigte „freie“ Partner würden Verträge abschließen, in Wirklichkeit zementierten solche Verträge die ungerechten Austauschbedingungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: Das hat Sven Giegold, Mitbegründer der Attac-Bewegung in Deutschland und seit zehn Jahren Mitglied im Europäischen Parlament, am zweiten Januarwochenende in Münster gesagt.

Der Politiker von Bündnis 90 / Die Grünen war einer der Referenten und Referentinnen auf der Jahrestagung Entwicklungspolitik. Dazu kamen unter dem Titel „(Freier) Welthandel. Fluch und Segen?“ mehr als 170 Personen vom 11. bis 13. Januar in die Akademie Franz Hitze Haus nach Münster.

Veranstalter waren in Zusammenarbeit mit dem Franz Hitze Haus die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen denn auch überwiegend aus kirchlichen Eine-Welt-Gruppen. Durch die Verknüpfung mit einem entwicklungspolitischen Seminar der Universität Münster diskutierten aber auch viele jüngere Interessierte mit.

Den grundlegenden Vortrag am Freitagabend hielt der Politiker, Wissenschaftler und Publizist Dr. Heiner Flassbeck, der viele Jahre Chef-Ökonom der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) war. Er ordnete das Thema Freihandel oder Protektionismus in einen größeren Zusammenhang ein: „Wenn man keine vernünftige wirtschaftliche Grundordnung hat, bleiben sowieso alle anderen Bestrebungen sinnlos.“ Zweckfreie Zuwendungen gebe es ohnehin nicht, denn „die armen Länder bekommen nicht nur unser Geld, sie müssen auch unseren neoliberalen Gedanken übernehmen“.

Dr. Jean-Gottfried Mutombo, aus dem Kongo stammender Pfarrer in der westfälischen Landeskirche, stimmte am Samstagmorgen die Teilnehmer spirituell und theologisch ein. Mit Blick auf das Paulus-Wort vom Leib und den vielen Gliedern verwies er auf den Zustand der heutigen Welt, die von Wohlstand und Armut am selben Leib bestimmt ist.

Wie bei den vorhergehenden Jahrestagungen konnten die Teilnehmer Aspekte des weiten und differenzierten Themas in Workshops vertiefen. Darin ging es unter anderem um Lateinamerika, um China und um Afrika.

Im Afrika-Workshop etwa beleuchtete Dr. Boniface Mabanza die ökonomischen Beziehungen mit der Europäischen Union (EU), gipfelnd in den umstrittenen Economic Partnership Agreements (EPAs). Ziel der von der EU betriebenen Handelsverträge sei die Öffnung der afrikanischen Märkte für europäische Produkte. Was auf den ersten Blick durchaus von gemeinsamem Interesse zu sein scheine, habe für die afrikanischen Länder viele „Pferdefüße“. Sie müssten auf wichtige Zolleinnahmen verzichten, ihre ohnehin bescheidene Industrialisierung geriete unter Konkurrenzdruck, und die problematische Ernährungssouveränität würde durch die Importe von Milch, Fleisch oder Hähnchen aus Europa gefährdet.

Als Fazit auf die im Tagungstitel gestellte Frage, ob der Freihandel gleichermaßen Fluch und Segen sei, blieb bei vielen Teilnehmern wohl dieser Satz von Sven Giegold im Gedächtnis: „Das Konzept eines freien Welthandels ist ein durchsichtig ideologisches Konzept, um das dahinterliegende sogenannte Recht des Stärkeren durchzusetzen.“

Ulrich Jost-Blome

Bildunterschrift: Als Mitbegründer der Attac-Bewegung und Mitglied des Europarparlaments war Sven Giegold einer der Hauptreferenten der Jahrestagung.                      Foto: Johanna Schäfer