"Europa verliert seine Seele"

, Kreisdekanat Warendorf

Sie hatten sich viel vorgenommen, die Vertreterinnen und Vertreter der Bündnis 90/Die Grünen aus dem Kreis Warendorf, Weihbischof Dr. Stefan Zekorn und die Dechanten, als sie sich zu ihrem jährlichen Austausch in der Landvolkshochschule in Freckenhorst trafen. Die Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer, die wachsende Kinder- und Altersarmut und der Umgang mit rechtspopulistischen oder -extremen Strömungen standen auf der Tagesordnung. Zum Abschluss des zweistündigen Gespräches berichtete Weihbischof Zekorn außerdem, was das Bistum Münster in Sachen Umwelt- und Klimaschutz unternimmt.

Über aktuelle Themen tauschten sich (von links) Andreas Rösner (Dechant Dekanat Warendorf), Peter Lenfers (Kreisdechant), Ursula Mindermann (Kreistagsmitglied Bündnis90/Die Grünen), Valeska-Maria Grap (stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen), Weihbischof Dr. Stefan Zekorn, Michael Spanke (Kreisdekanatsgeschäftsführer), Karl Stelthove (Kreisverband Warendorf Bündnis90/Die Grünen), Karl-Hermann Kemper (Dechant Dekanat Ahlen-Beckum) und Bernhard Drestomark (Bündnis90/Die Grünen) aus.

© Bistum Münster

Valeska-Maria Grap, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Kreis Warendorf, zeigte sich schockiert darüber, wie mit Flüchtlingen umgegangen werde und forderte innereuropäische Regelungen. „Seenotrettung ist ein Menschenrecht“, erklärte Grap. Diese Meinung teilten die Geistlichen: „Wir versuchen von kirchlicher Seite das Thema immer wieder zur Sprache zu bringen und so für Öffentlichkeit zu sorgen“, erklärte der Weihbischof. Gleichzeitig machte er auf das großartige Engagement in den Pfarreien und der Caritas aufmerksam: „Die Ehrenamtlichen sind unser Rückgrat.“ Auch finanziell unterstütze das Bistum humanitäre Aktionen. So konnte 2017 ein Seenotrettungsschiff dank ausreichender Finanzierung einen Monat früher als geplant auslaufen. Zekorn bedauerte, dass es auch in der Kirche keine europäische Öffentlichkeit gibt.“ Kreisdechant Peter Lenfers sorgte sich um den Kontinent: „Europa wirkt wie ein dekadenter Erdteil, der um sich selber kreist. Europa verliert seine Seele“, mahnte er.

Kreistagsmitglied Ursula Mindermann knüpfte daran an und verwies auf die „laute, aggressive Art“ der Rechtspopulisten in Deutschland, die es „schaffen, Stimmungen gegen Geflüchtete zu machen. Wir müssen den Mut haben, aufzustehen und zu widersprechen“, nahm sie sich und alle Anwesenden in die Pflicht. Weihbischof Zekorn ergänzte: „Es werden Ängste geschürt und die Menschen dadurch manipuliert.“ Die Kirche müsse sich dieser Ängste annehmen und ihnen etwas entgegensetzen. 

Leidenschaftlich diskutierten die Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Kirche über die Frage, wie der Altersarmut zu begegnen sei. Kreisdechant Lenfers nannte die explodierenden Mieten als eine Ursache und forderte die Politik auf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen „für ein Leben in Würde. Wenn sich die Mieten im Kreis Warendorf so weiterentwickeln, wird dies schwierig“, gab er zu bedenken. Grap ergänzte, dass die Altersarmut eher weiblich sei und vor allem Alleinerziehende betroffen seien.

Der Weihbischof lenkte den Blick auch auf die wachsende Kinderarmut im „reichen Deutschland“. „Immer mehr Familien fehlt es am nötigsten. Es bedarf einer Kindergrundsicherung“, unterstützte er die Forderung der Grünen-Vertreter. Lenfers fügte hinzu, dass Bildung nicht davon abhängen dürfe, wie der sozio-ökonomische Status der Eltern sei. Es brauche neben der finanziellen Unterstützung auch Stärkungsmaßnahmen. „Geld allein hilft nicht“, erklärte Zekorn und verwies auf das münsterische Jugendausbildungszentrum „JAZ“, das vom Bistum unterstützt werde und Jugendlichen und jungen Erwachsenen Perspektiven aufzeige: „Vielleicht wäre das auch etwas für den Kreis Warendorf“, gab der Weihbischof allen Verantwortlichen mit auf den Weg.

Jürgen Flatken