Fachtagung des Kita-Projekts: "Familie als Institution religiöser Bildung unersetzbar"

Auf die Frage, wer alles zu einer Familie dazugehört, werden die meisten wahrscheinlich „Vater, Mutter, Kind“ antworten. Aber ist die Antwort wirklich so einfach? Tatsächlich ist der Familienbegriff einem starken Wandel unterworfen. Und auch die Weitergabe des Glaubens im Kontext von Familie ist nicht mehr selbstverständlich.

Kita, Schule und Kirchengemeinde werden immer wichtiger, wenn es um Glaubensvermittlung und -weitergabe geht. Das stellt die Kita vor Herausforderungen: Was bedeutet dies für die Zusammenarbeit mit Eltern und Großeltern? Oder, welche Wünsche und Vorstellungen über den Umgang mit Religion und religiöser Vielfalt haben Eltern für ihre Kinder? Mehr als 50 Erzieherinnen und Erzieher, Kita- und Verbundleitungen, pastorale Mitarbeitende und Vertreter der Ehe-, Familien- und Lebensberatungen (EFL), wie auch der Familienbildungsstätten sind diesen Fragen kürzlich auf der Fachtagung „Religion und Glaube in Kita und Familie. Familie – Lebensort des Glaubens!?“ in der Münsteraner Akademie Franz Hitze Haus (FHH) nachgegangen. Die Fachtagung des Projekts „Kita – Lebensort des Glauben“ wurde organisiert und durchgeführt von Kathrin Wiggering, Projektleitung, und Sebastian Mohr, Projektbegleiter und FHH-Dozent.


Dr. Christoph Hutter aus der Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung in Osnabrück  warf einen kritischen Blick auf die Situation der Familien in Deutschland: „Die Familie gerät immer mehr unter Druck und ist alles andere als tiefenentspannt. Wir leben in höchst beschleunigten Zeiten, ausgelöst durch den digitalen, aber auch durch den sozialen Wandel“, erklärte er. Das bekämen auch die Familien zu spüren.

Die gesellschaftliche Großwetterlage habe sich geändert. Die permanente Erreichbarkeit und das Überangebot an Möglichkeiten erzeugten Stress. „Heute haben wir häufig das Gefühl, das Beste zu verpassen. Das mehr an Optionen wird quasi zur ‚Qual der Wahl‘“, betonte er.
Beziehung und Partnerschaft würden häufig nicht mehr mit den Augen der Liebe betrachtet, sondern bisweilen unter knallharten wirtschaftlichen Aspekten. Das führe zu einer Idealisierung von Paarbeziehungen, „an deren Ansprüchen viele zerbrechen“, sagte Hutter.
Davon seien auch die Kinder nicht ausgenommen, sie würden zu einem Projekt. „Auf den Kindern liegt ein immenser Optimierungsdruck. An deren Erfolg messen die Eltern ihren eigenen.“ Die Kinder müssten liefern. Hutter brachte es auf den Punkt: „Das optimierte Kind, idealisiert und verzweckt.“  Und er forderte: „Wir brauchen realistische und fehlerfreundliche Familienbilder.“ Die Kita könne die Familie dabei unterstützen indem sie frage: Sag mir, was kann ich dir tun. „Das ist ein höchst jesuanischer Ansatz“, betonte Hutter. „ Die Kitas, die Kirche muss ihr pastorales Angebot überdenken und genau hinhören, was die Eltern brauchen, um einen gemeinsamen Resonanzraum zu schaffen.“


Professor Clauß Peter Sajak, Theologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, beleuchtete in seinem Beitrag die religiöse Erziehung von Kindern. Der Familie als Institution religiöser Erziehung werde misstraut, schlussfolgerte er. Sie sei überfordert, Glaubenswissen verdunste, so die Meinung in vielen Institutionen. „Dabei ist die Familie als Institution religiöser Bildung unverzichtbar und kann nicht ersetzt werden“, war sich Sajak sicher. „Was Eltern an ihre Kinder weitergeben, ist unersetzbar, wie Liebe, Geborgenheit, Empathie.“ Auch das Gottesbild entwickle sich durch die Erfahrungen, die jeder Mensch in seiner Entwicklung mache. Sajak machte sich für eine „Art Lern- und Erziehungsgemeinschaft“ von Kitas, Schulen und Pfarrgemeinden stark.


Eine Lanze für eine Erziehungspartnerschaft brach auch Professor Christoph Knoblauch von der pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. „Kinder bringen religiöse Fragen mit in die Kita“, zeigte sich Knoblauch überzeugt, „sei es aus der Familie oder aus anderen Sozialräumen.“ Und er hatte auch ein klares Bild vor Augen, wie die Erziehungspartnerschaft sollte: „sich der Partner bedienen, wo es geht. Wenn ich selber zum Beispiel kaum Ahnung habe, was es mit dem Sabbat auf sich hat, eine jüdische Mutter aber ihr Kind in die Kita schickt, dann bitte diese Mutter nach Unterstützung fragen. Das ist authentischer, als sich selber in ein Thema einzulesen.“


Ergänzt wurden die Vorträge durch drei Workshops unter der Leitung von Claudia Hardeweg, Diplom-Psychologin und Leiterin der EFL-Beratungsstelle in Bocholt und Stephanie Kolks, Erzieherin und Kita-Leiterin in Rhede, der Theologin und Mitarbeiterin am Kita-Projekt Karolin Kramer und Christoph Moormann, Diplom-Theologe und  Pastoralreferent aus Ibbenbüren.