Flüchtlingsbeauftragter unterschreibt Brief an Bundeskanzlerin

, Bistum Münster

Angesichts des Sterbens auf dem Mittelmeer und der katastrophalen Lage in Libyen wenden sich mehr als 250 zivilgesellschaftliche Organisationen in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch der Flüchtlingsbeauftragte im Bistum Münster, Helmut Flötotto, gehört zu den Unterzeichnern. Er sowie Caritas, Diakonie, Brot für die Welt, Misereor, PRO ASYL, Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Sea-Watch, Seebrücke, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die vielen weiteren unterzeichnenden Organisationen kritisieren das tatenlose Zusehen: „Wir sind erschüttert angesichts der gegenwärtigen europäischen Politik, die immer stärker auf Abschottung und Abschreckung setzt – und dabei tausendfaches Sterben billigend in Kauf nimmt. Die Pflicht zur Seenotrettung ist Völkerrecht und das Recht auf Leben nicht verhandelbar.“

Flötotto unterstreicht die Kritik: „Wenn Menschen in akuter Lebensgefahr sind, ist eigentlich allen klar, was zu tun ist: Helfen ist Pflicht.“ Bleibt diese Hilfe aus, gebe es beispielsweise in der Straßenverkehrsordnung Bußgeld- oder Freiheitsstrafen. Beim Mittelmeereinsatz im Rahmen der „Mission Sofia“ dagegen reduziere sich Deutschland auf das „Gaffen“, das tatenlose Zusehen ohne Sanktionen. „Deutschland ist bei der Seenotrettung im Mittelmeer gefordert. Denn diese Menschen suchen Schutz und eine Zukunft für sich und ihre Familien“, verdeutlicht er. 

Die Unterzeichner des offenen Briefes fordern eine Sicherstellung der völkerrechtsbasierte Seenotrettung auf dem Mittelmeer. Die EU habe sich verpflichtet, Schutzsuchenden Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren. Es sei ein Skandal, dass zivile Helferinnen und Helfer kriminalisiert werden, die der unterlassenen Hilfeleistung der europäischen Staaten nicht weiter zusehen wollen, heißt es.

Das Bündnis, darunter Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Seenotrettungsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Gewerkschaften und Jugendverbände, fordert eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen Politik. 

So soll es einen Notfallplan für Bootsflüchtlinge geben: Aufnahmebereite Mitgliedsstaaten müssten in einem geordneten Verfahren aus Seenot gerettete und in EU-Mittelmeeranrainerstaaten gestrandete Schutzsuchende solidarisch aufnehmen. Der Europäische Flüchtlingsrat habe dazu einen praktikablen Vorschlag ausgearbeitet, der im Rahmen des geltenden Europarechts sofort zur Anwendung kommen könne.

Darüber hinaus müssten „sichere Häfen“ ermöglicht werden. Viele deutsche Städte und Kommunen hätten sich bereiterklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Für sie müsse eine Möglichkeit geschaffen werden, freiwillig zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen. 

Auch dürfe es keine Rückführung nach Libyen geben. „Nach Libyen zurückgebrachte Flüchtlinge sind systematisch Folter, Versklavung und Gewalt ausgesetzt“, heißt es in dem offenen Brief. Jede Unterstützung und Ausbildung der sogenannten libyschen Küstenwache müsse eingestellt werden. Die EU und Deutschland müssten das sogenannte Non-Refoulement-Gebot als zwingendes Völkerrecht achten und umsetzen. 

Die aktuelle Politik müsse beendet werden, denn sie bedrohe nicht nur das Leben von Menschen, „sie setzt auch unsere eigene Humanität und Würde aufs Spiel“.