Friedensschüler veranstalten Menschenrechtstag

, Stadtdekanat Münster

Es ist mucksmäuschenstill, als der Film endet. Den Schülerinnen und Schülern der Bischöflichen Friedensschule in Münster ist die Betroffenheit ins Gesicht geschrieben. Sie haben eine Ahnung davon bekommen, wie es den Jesiden im Nordirak geht, die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gejagt werden. Das Schicksal der Jesiden, eine der ältesten Religionsgemeinschaften der Welt, die ohne Heilige Schrift leben und ihren Glauben mündlich weitergeben, steht im Mittelpunkt des Menschenrechtstags der rund 150 Oberstufenschüler aus der Q1. Sie können am 2. April einen besonderen Gast begrüßen: Tuğba Tekkal, ehemalige Bundesliga-Fußballspielerin beim 1. FC Köln – und Jesidin.

Die ehemalige Profi-Fußballerin Tuğba Tekkal war zu Gast in der Friedensschule in Münster, um am Menschenrechtstag über die Situation der Jesiden aufzuklären.

© Bistum Münster

Die 34-Jährige lebt den „german dream“ („deutscher Traum“), wie sie selbst sagt. Ihre Eltern waren als Gastarbeiter aus der Türkei gekommen, wo die Jesiden schon damals diskriminiert wurden. Als eines von elf Kindern in Deutschland geboren, kämpft sie sich durch – und wird Profi-Fußballspielerin. Doch vergessen hat sie das Schicksal der jesidischen Bevölkerung nie. Im Gegenteil: Nach dem Völkermord im Jahr 2014, bei dem der IS das Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden in Sindschar im Irak überfällt, mehr als 5000 Menschen ermordet, 7000 Frauen und Kinder entführt und eine halbe Million Jesiden aus ihrer Heimat vertreibt, wollen sie handeln. Gemeinsam mit ihren Schwestern, darunter die Journalistin Düzen Tekkal, gründet Tuğba Tekkal den Verein „Hawar.help“ und antwortet damit auf den Hilferuf ihrer Religionsangehörigen. 

„‘Hawar“ kommt aus dem kurdischen und heißt übersetzt ‚Hilfe‘, mittlerweile ist ‚Hawar‘ bei uns Jesiden auch ein Synonym für ‚Völkermord‘“, klärt die Sportlerin die Schüler auf, bevor sie den kurzen, aber intensiven Film ihrer Schwester zeigt, die zusammen mit ihrem Vater vor Ort im Irak war. Darin bekommen die Jugendlichen einen erschütternden Einblick in die Situation der Jesiden während und nach dem Massenmord. Männer werden getötet, Frauen als Sexsklavinnen missbraucht, Kinder zu Waisen gemacht, Hunderttausende sind auf der Flucht in den Gebirgen, eingekesselt und abgeschnitten von jeglicher Hilfe. „Sie haben überlebt, haben aber kein Leben“, kommentiert Tuğba Tekkals Schwester im Film. 

Die Schüler sind bewegt: „Es ist extrem schlimm, das zu sehen. Wenn die Kinder ihre Not in die Kamera schreien, also sozusagen uns anschreien, ihnen zu helfen, würde man sie am liebsten an die Hand und mit nach Deutschland nehmen“, schildert ein Schüler seine Gefühle. Diese Erfahrungen haben die Tekkal-Geschwister animiert, „Hawar.help“ zu gründen, mit dem Bestreben, eine Welt zu schaffen, in der sich jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Ethnie oder Religion selbstbestimmt und in Sicherheit entfalten kann. Mit Schulbesuchen und Informationsveranstaltungen wollen sie das Bewusstsein der Gesellschaft für Konflikte und die Lebenssituation Verfolgter schärfen. 

„Jeder einzelne von euch kann etwas dazu beitragen“, wendet sich Tuğba Tekkal an die Schüler. „Schaut nicht weg, sondern hin, legt den Finger in die Wunde, engagiert euch ehrenamtlich“, fordert die Sportlerin auf. Auch sie selbst hat das gemacht und das Projekt „Scoring Girls“ ins Leben gerufen, mit dem sie Mädchen mit Migrationshintergrund und aus schwierigen sozialen Verhältnissen zum Fußball bringt. Viele von ihnen haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Religion sie von anderen trennt. „Ich bin Deutschland sehr dankbar dafür, wie ich hier leben darf. Mit meinem Engagement möchte ich etwas zurückgeben“, erklärt sie.

Für die Friedensschüler ist das eine Motivation: In Kleingruppen überlegen sie anschließend, was konkret umgesetzt werden kann, um das Thema Menschenrechte an der Bischöflichen Schule hochzuhalten. Ein Spendenlauf, kostenloser Nachhilfeunterricht für benachteiligte Kinder oder ein Quiz zum Thema – die Schüler haben viele Ideen. „Spätestens zum 10. Dezember, dem ‚Tag der Menschenrechte‘, wird wieder etwas stattfinden“, sagt Lehrerin Ina Brodde. 

Ann-Christin Ladermann