Fürs Fluchtgepäck ist nicht viel Zeit

, Kreisdekanat Borken

Dilara, Freya, Klara und Michelle müssen das Erlebte erst einmal sacken lassen. Was für die Achtklässlerinnen der Gesamtschule Rhede nur Fiktion ist, ist für Menschen, die vor Krieg und Terror ihre Heimat verlassen, schreckliche Realität. Die 14-jährigen Mädchen sind betroffen und nachdenklich. „Das war berührend“, schildert Freya. „Es war auch informativ“, ergänzt Dilara, „es war einfach gut, sich in deren Lage zu versetzen“. „Krass, dass manche Kin-der und Jugendliche auf der Flucht ganz auf sich allein gestellt sind“, sagt Klara. Viele Schülerinnen und Schüler aus Rhede haben bereits die multimediale Erlebnisausstellung „Menschen auf der Flucht“ im Missio-Truck besucht. Der Lkw des Internationalen Katholischen Hilfswerks aus Aachen macht noch bis Dienstag, 8. Mai, Station in Rhede, vier Tage am Schulzent-rum, zwei Tage vor der St.-Gudula-Kirche.

Jugendliche aus Rhede im Missio-Flucht-Truck

Auch Freya, Klara, Michelle und Dilara (von links) schlüpften im Missio-Truck am Schulzentrum Rhede in die Rolle von Menschen, die aus dem Ostkongo flüchten müssen – und waren intensiv berührt.

© Bistum Münster

In den kleinen Ausstellungsräumen auf der geschlossenen Ladefläche schlüpfen die Besucher in die Situation eines Flüchtlings, der plötzlich und unter dramatischen Umständen alles hinter sich lassen muss. „Das Ganze ist sehr real“, betont Annika Hardt. Die 25-jährige Studentin führt die Besucher im Auftrag von Missio in die Ausstellung ein. „Im Ostkongo überfallen mörderische Rebellengruppen die Menschen in den Dörfern. Die einzige Chance zum Überleben ist Flucht.“

Der Missio-Truck bietet acht Lebensläufe, die beispielhaft für persönliche Schicksale stehen. Von der Entscheidung, was in das hastig zusammengesuchte Fluchtgepäck gehört, bis hin zum Besuch im Traumazentrum nimmt die Ausstellung ihre Besucher mit in eine realistische Atmosphäre. Ergänzend gibt es Informationen in Text und Bild, unter anderem über die Situation von Flüchtlingen in Deutschland und über die Arbeit von kirchlichen Hilfsorganisationen.

Patrick Lindhorst hat den Rundgang gerade hinter sich: „Die Ausstellung ist toll gemacht, ebenso erschreckend wie beeindruckend“, lobt der Klassenlehrer, „ich finde es wichtig, dass unsere Schüler sehen, wie gut sie es haben und dass es nicht selbstverständlich ist, behütet und sicher aufzuwachsen.“

Pastoralreferent André Bösing von der katholischen Pfarrei hatte den Truck organisiert - nach guten Erfahrungen, die er in Bocholt gemacht hatte. „Prima, dass sich auch in Rhede so viele Akteure für dieses Projekt gewinnen ließen“, freut er sich. Gemeinsam haben die Flüchtlingshilfe Rhede, der Kreis Borken, das Jugendhaus Gönni, die Pfarrei St. Gudula, die Schulsozialarbeit des Jugendwerks Rhede, das Sozialraumteam, die Stadt und die Villa Bacho ein Rahmenprogramm gestaltet.

So ist am Samstag, 5. Mai, und Sonntag, 6. Mai, ergänzend die Wanderausstellung „Willkommen, egal wo du herkommst" in der St.-Gudula-Kirche zu sehen. Der Gottesdienst am Sonntag um 10.30 Uhr ist ebenfalls zum Thema Flucht gestaltet. Anschließend gibt es bis 17 Uhr auf dem Kirchplatz eine interkulturelle Begegnung mit internationalem Buffet. Und am Montag, 7. Mai, um 19 Uhr sprechen André Schuster und Jalal Zakkour vom Flüchtlingsrat NRW im Pfarrheim „Zur Heiligen Familie“ über „Migration, Flucht und Asylrecht“.

In den Ohren von Dilara, Freya, Klara und Michelle klingen die Schreie der flüchtenden Dorfbewohner noch nach. Und auch die Schüsse und Detonationen. Dass Menschen aus Angst um ihr Leben ihr Heil in der Flucht suchen müssen, das können sie nun ein wenig besser nachvollziehen.

Martin Wißmann