Geerlings fordert Selbstkritik und Umkehr zu den eigenen Idealen

, Kreisdekanat Recklinghausen

250 Recklinghäuser begrüßte der emeritierte Weihbischof Dieter Geerlings am Sonntag, 16. September, zum Gottesdienst in der Wallfahrtskirche auf dem Annaberg in Haltern am See. Gut 100 Pilger waren am Vormittag gestartet. Sie waren „Mit allen Sinnen auf dem Weg“. Zu Fuß, mit dem Rad oder auf dem Motorrad ging es von Recklinghausen-Speckhorn, dem zentralen Ort der Aussendung, zum Annaberg.

30 Kindern und Jugendliche, die bereits am Samstag aufgebrochen waren, hatten zu dem Zeitpunkt schon eine besondere Überraschung erlebt. In ihrer Unterkunft, dem Pfarrheim von St. Lambertus in Haltern-Lippramsdorf, stattete ihnen der Weihbischof am Abend einen Besuch ab. „Sie hatten gerade das Abendessen zubereitet. Das hatte richtig Geschmack“, sagte Geerlings und führte damit auf das Thema der Messe hin: Im Mittelpunkt stand das „Schmecken“. Auf dem Weg nach Haltern hatten sich die Pilger schon mit den Sinnen Sehen, Hören und Fühlen beschäftigt.

Geerlings „schmeckt“, wie die Mutter von Thomas Edison mit einem Brief umgegangen ist, den die Schule ihrem damals noch jungen Sohn mitgegeben hat. Die Lehrer hätten geschrieben, dass er zu klug für die Schule sei und daher freigestellt werde, liest sie ihrem Sohn vor. Jahre später findet Edison den Brief, die Mutter ist lang tot. Die Lehrer hatten tatsächlich der Mutter geschrieben, dass ihr Sohn geistig behindert wäre und er deshalb nicht mehr unterrichtet werde. „Solche Wegbegleitung schmeckt, solche Wegbegleitung ist wie das Salz in der Suppe“, sagte Geerlings in seiner Predigt.

„Keinen Geschmack auf Kirche“ machen jedoch dem Bischof die Missbrauchsskandale. „Das ist einfach erschütternd und schockierend.“ Auch die Art der Vertuschung sei beschämend, weil nicht auf die Opfer geschaut worden sei. „Sie müssen sich vorkommen, als wären sie Mittäter. Da ist Selbstkritik und Umkehr zu den eigenen Idealen gefordert. Es muss uns um den Menschen gehen, damit sie wieder Gefallen an Gott haben. Der Mensch ist nach unserem Glauben für die Freude geschaffen. Die Menschen müssen nicht Gefallen an der Kirche finden, sondern Freude am Evangelium haben. Das Thema wird uns noch einige Zeit begleiten. Das ist traurig, aber das ist so.“

„Zeit nehmen“ sollten sich die Wallfahrer. Das hatte Gustav Peters insbesondere den Radwallfahrern bei der Aussendung in der Kirche Heilige Familie mit auf den Weg gegeben. „Der Weg ist das Ziel. Wir wollen ihn nutzen, um mit allen Sinnen uns selbst auf die Spur zu kommen“, sagte der Vorsitzende des Stadtkomitees der Katholiken. Stefanie Neumann gefiel das Thema der Stadtwallfahrt sehr: „Loszufahren, mit allen ins Gespräch und in den Austausch zu kommen und dabei Augen und Ohren offen zu haben, für einander da zu sein, ist für mich christliches Leben“. Für Jan Dombrowsky (16) war es die erste Stadtwallfahrt. „Es war nicht so, wie ich mir Pilgern vorgestellt habe“, berichtet er von seinen Erfahrungen. „Das gemeinsame Ziel war eigentlich, zusammen zu sein. Wir haben uns in der Gruppe kennengelernt. Und der Blick von der Halde auf die Lippe war einfach toll. Das waren schöne Momente in der Natur.“

Der Malteser Hilfsdienst aus Haltern schenkte kostenlos Wasser und Kaffee aus. Auf dem Tisch an ihrem Stand fanden sich zum Picknick schnell Kuchen- und Brötchenspenden ein. Pilger hatten sie mitgebracht und – wie andere an ihren zufälligen Tischgemeinschaften auch – der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Ganz so, wie es sich das Stadtkomitee der Katholiken als Veranstalter der Stadtwahlfahrt im Vorfeld gewünscht hatte: „Jeder bringt etwas mit – alle teilen“.

Bildunterzeile: Durch Ortsteile, über Felder und Wiesen und schließlich durch den Wald pilgerten die Wallfahrer aus Recklinghausen zum Annaberg in Haltern am See.

Text/Bild: Kath. Stadtbüro Recklinghausen/ Michael Richter