Generalvikar Winterkamp kündigt Untersuchung an

, Bistum Münster

„Wir wollen Strukturen, Praktiken und Haltungen aufdecken, die zu sexuellem Missbrauch geführt haben. Deswegen wird das Bistum Münster eine Untersuchung in Auftrag geben, die genau das tut“ Das hat Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp am gestrigen Donnerstag in der Akademie Franz Hitze Haus im Rahmen der Veranstaltung „Verantwortung, Rechenschaft, Transparenz? Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche“ angekündigt. Pater Hans Zollner, einer der führenden katholischen Fachleute auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs, Theologe und Psychologe, betonte: „Es braucht eine fachgerechte und unabhängige Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs.

Zum Thema „Verantwortung, Rechenschaft, Transparenz? Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche“ haben Pater Hans Zollner (l.) und der Generalvikar des Bistums Münster, Dr. Klaus Winterkamp, am vergangenen Donnerstag in der Akademie Franz Hitze Haus Stellung bezogen. Winterkamp kündigte unter anderem eine Untersuchung des Bistums an, die Strukturen, Praktiken und Haltungen aufdecken soll, die zu sexuellem Missbrauch geführt haben.

© Bischöfliche Pressestelle

Und das Thema muss im alltäglichen kirchlichen Leben präsent sein, man muss darüber sprechen, darf es nicht abspalten und muss sich ihm stellen.“
Winterkamp stellte heraus: „Das Bistum Münster ist ein lernendes System. Wir lernen täglich hinzu, was den Umgang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs angeht.“ Es gebe, so sagte der Generalvikar, kein Handbuch für dieses Thema, jeder Fall sei anders.

Zusätzlich zu den Präventionsschulungen, die das Bistum seit einigen Jahren verpflichtend für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden durchführt, die mit Minderjährigen und Schutzbefohlenen arbeiten, unabhängigen Ansprechpersonen, der im rechtlichen Rahmen größtmöglichen Transparenz und einer kontinuierlichen Kommunikation solle künftig noch stärker geschaut werden, was für Betroffene getan werden könne. „Was ist sinnvoll? Was brauchen die Menschen?“ Auch soll überlegt werden, wie Beschuldigte begleitet werden könnten. Winterkamp betonte, das jeder Verdacht des sexuellen Missbrauchs an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werde. „Strafverfolgung ist nicht die Sache der Kirche, sondern des Staats“, machte der Generalvikar deutlich. Nach Abschluss des Strafverfahrens könne ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet werden. „Diese“, merkte der Generalvikar an, „müssten viel schneller abgewickelt werden. Zum Teil Jahre auf eine Entscheidung der vatikanischen Glaubenskongregation aus Rom zu warten, das ist viel zu lange.“

„Die Präventionsschulungen, die alle fünf Jahre wieder aufgefrischt werden müssen, sind die Fortbildungen mit dem größten Erkenntnisgewinn“, betonte Winterkamp. Auch stelle er fest, dass die Sensibilität für das Thema des sexuellen Missbrauchs gesamtgesellschaftlich zunehme.  Pater Hans Zollner, seit 2014 Mitglied der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und Leiter des Centre for Child Protection (CCP), pflichtete bei: „Prävention wirkt.“ In Ländern, in denen Präventionsarbeit geleistet werde, seien die Fälle sexuellen Missbrauchs zurückgegangen. 

Laut Zollner geht es im Umgang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche nun vor allem darum, den Blick auch auf das System Kirche zu lenken – was aber den einzelnen Täter nicht aus seiner persönlichen Verantwortung entlasse. „Wie kann es sein, dass über Jahrzehnte hinweg Missbrauch stattfinden und vertuscht werden konnte? Welche Theologie konnte das begünstigen?“, das seien drängende Fragen.

Die Stimmung in der katholischen Kirche sei gedrückt, verärgert, wütend, enttäuscht und entsetzt. „Viele haben die Nase voll und fragen sich: Habe ich überhaupt noch eine Heimat in der Kirche“, fasste Zollner zusammen. Auch deswegen müsse sich die Kirche dem Thema stellen. „Die Aufarbeitung und die Vermeidung sind uns eine Herzensangelegenheit. Das ist es, was bei den Menschen ankommen muss, nicht nur Normen und technische Dinge.“ Zollner warnte davor, dass alleine  Normen und Richtlinien den sexuellen Missbrauch verhindern können: „Es geht um die Einstellung zu dem Thema, die wir haben. Sie muss lauten: Wir nehmen uns des Themas an, egal wie ermüdend, schockierend und schwierig es ist.“

Zollner verglich die katholische Kirche mit einem Riesentanker und sagte im Blick auf die aktuelle Situation: „Der Kapitän reißt das Ruder rum, das überfordert aber viele Bischofskonferenzen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass es Veränderungen geben wird: Der Tanker schwenkt um.“ Er sieht größere Chancen, dass auch systemische Fragen angegangen werden, als noch 2010. Trotzdem, so machte er mit Blick auf die Weltkirche deutlich, gebe es eine große Ungleichzeitigkeit, weil Fragen beispielsweise in Afrika und Asien anderes gesehen würden als in Europa und Nordamerika. „Für uns ist Prävention selbstverständlich. Oder ein Ansprechpartner für Verdachtsfälle. In 80 Prozent aller Länder weltweit ist das nicht so.“

Eine weltweite Grundlage habe der Papst mit seinem Schreiben „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt“) geschaffen. Es sei ein unmittelbares Resultat des Treffens der Vorsitzenden alle Bischofskonferenzen im Februar in Rom und schaffe eine verbindliche Rechtsgrundlage. „Darin steckt eine Gesamtbotschaft. Sie lautet: Die Kultur der Kirche muss Transparenz und darf nicht Verschweigen sein“, betonte Zollner. Zum Beispiel müsse es in jeder Diözese ein Büro geben, an das Fälle gemeldet werden können. Kleriker und Ordensleute würden verpflichtet, der zuständigen kirchlichen Autorität unverzüglich alle ihnen bekannt gewordenen Berichte über Missbrauch zu melden, außerdem auch jeden Versuch, die Tat zu vertuschen und den Täter zu decken. Außerdem gelte selbstverständlich, dass man dem staatlichen Gesetz folgt, und zwar als Einzelperson wie auch als Institution Kirche.

Was also muss getan werden? Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp und Pater Hans Zollner waren sich einig: Die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Anliegen von Betroffenen müsse noch größer sein, Transparenz müsse praktiziert und Verantwortung übernommen werden, Prävention und Ausbildung müssen gefördert werden.

„Wir müssen uns dem Thema des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche proaktiv stellen. Dann ändert sich etwas. Und wir sind da auf einem gutem Weg“, sagte Zollner abschließend.