Gottesdienst christlicher Kirchen an historischer Stätte

Draußen hängen Käfige, Symbole für die Gefangenschaft derer, die in einem Streit verloren haben. Drinnen reichen Menschen unterschiedlichen christlichen Glaubens einander die Hände – Versöhnungsgeste einige Jahrhunderte nach dem Streit. So sah es am 11. Mai in der Lambertikirche in Münster aus.

Dort haben im Rahmen des Katholikentags Vertreter der täuferischen Freikirche der Mennoniten, der römisch-katholischen sowie der evangelischen Kirche gemeinsam einen Versöhnungsgottesdienst gefeiert. Er stand unter dem Titel „Umkehr und Versöhnung unter den Täuferkäfigen. Heilung der Erinnerungen angesichts eines historischen Traumas“.

Mit dem Gottesdienst machten die Veranstalter einen Rückgriff in die Geschichte. Denn die drei Täuferkäfige, die noch heute am Turm der Münsteraner Lambertikirche hängen, sind sichtbare Spuren der Täuferherrschaft von 1534 bis 1535. In den Käfigen wurden seinerzeit die Leichen der hingerichteten Wiedertäufer zur Schau gestellt. „Wir wollen Gott und einander um Versöhnung bitten für die wechselseitige Gewalt und Verfolgung zwischen römisch-katholischen, evangelischen und täuferischen Christen“, sagte eingangs die mennonitische Theologin Andrea Lange.

Zunächst gaben die Veranstalter – neben Lange Keith W. Blank, Mennonit aus Lancaster/USA; Jörg Hagemann, katholischer Stadtdechant aus Münster, Jacob Schiere, Mennonit aus Drachten/Niederlande, sowie  Ulf Schlien, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Münster – einen Überblick über die historischen Ereignisse. Dabei ordneten sie in der voll besetzten Lambertikirche die Ereignisse rund um das Täuferreich in die Geschichte der Reformation ein. „Das radikale Experiment des Königreichs von Münster, als Täufer die Herrschaft in Münster errangen und Andersgläubige vertrieben, bestärkte sowohl katholische als auch lutherische Obrigkeiten in ihrer Furcht vor den Täufern als einer ernsten Bedrohung für Kirche und Gesellschaft“, sagte Hagemann.

In einem Schuldbekenntnis übernahmen alle Seiten die Verantwortung ihrer jeweiligen Religion für die damaligen Ereignisse. Hagemann stellte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft fest: „Nicht alle Fragen zwischen uns sind geklärt, es bleibt noch manches zu tun. Aber wir sind heute gemeinsam berufen, Friedensstifterinnen und -stifter zu sein.“

Starke symbolische Geste dieses Gottesdienstes, den das Duo Bohemico aus Erfurt musikalisch gestaltete, war der Friedensgruß. Dazu umarmten die Religionsvertreter einander, während sich die Gottesdienstbesucher gegenseitig die Hände schütteln. Darunter auch Hildegard Krepp, Katholikentagsbesucherin aus Köln: „Die Türme an Lamberti kennt man ja als Münster-Besucher. Aber jetzt weiß ich besser, wofür sie stehen und was sie für heute zu sagen haben.“

Anke Lucht