Heinke Haberland gewinnt Wettbewerb

, Bistum Münster

Der „Aggregatzustand“ des Evangeliars lässt sich am besten mit zwei Worten umschreiben: offen und bewegt. Das Buch kann aus dem Ständer genommen und für die Lesung der Schrifttexte so genutzt werden. Aber auch, wenn es nicht in „Gebrauch“ ist, bleibt das Wort Gottes keineswegs im Ruhezustand. Das Buch kann durchblättert, haptisch und inhaltlich erfahren, erfasst und erlebt werden. Das Evangeliar von Heinke Haberland hat kein Vorne und kein Hinten, keinen Anfang und kein Ende – es ist unbegrenzt. Und genau das hat die Jury des Evangeliar-Wettbewerbs abschließend überzeugt. Beim 50. Bischöflichen Künstlertreffen am 12. November überreichte Münsters Bischof Dr. Felix Genn der Düsseldorfer Künstlerin in der katholischen Akademie Franz Hitze Haus den ersten Preis. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 4500 Euro vergeben.

Bischof Dr. Felix Genn ehrte beim 50. Bischöflichen Künstlertreffen die Gewinnerin des Evangeliar-Wettbewerbs, Heinke Haberland (Mitte), sowie die drei weiteren Preisträger.

© Bistum Münster

In seiner Begrüßung lobte der Bischof den Mut und die Kreativität der 25 Künstler, die sich mit ihren Entwürfen an dem Evangeliar-Wettbewerb beteiligt haben: „Die Unterschiedlichkeit der Ideen führt uns vor Augen, dass das Wort Gottes immer wieder aktuell und immer wieder anders in der Welt, im Leben von Menschen Wirklichkeit werden kann.“ Genn betonte die Bedeutung einer zeitgemäßen Gestaltung: „Es lässt die Verbindung von Liturgie und Leben aufscheinen.“ Den 150 Gästen und Künstlern, die zu der Feierstunde gekommen waren, wünschte der Bischof, „dass wir für unser persönliches Leben und im vielfältigen Wirken in den Gemeinden und in der Gesellschaft den großen Nähr- und Mehrwert von Gottes Wort immer wieder neu erfahren.“

Dr. Susanne Kolter, Vorsitzende der Kunstkommission im Bistum Münster, und Dr. Nicole Stockhoff, Geschäftsführerin der Bischöflichen Liturgiekommission, schauten anschließend dialogisch auf 50 Jahre Künstlertreffen und den aus diesem Anlass initiierten Wettbewerb zurück. Ob ein liturgisches Buch in einer Welt moderner Medien wie Tablet, Smartphone und E-Reader überhaupt noch zeitgemäß, notwendig und wirkungsvoll ist? Nicole Stockhoff lieferte eine erklärende Antwort: „Lektionar und Evangeliar spielen für die gottesdienstlichen Feiern eine zentrale Rolle, denn daraus werden die biblischen Texte verlesen.“

Das Christentum sei eine Buchreligion, ergänzte Susanne Kolter. Das gelte sowohl im Hinblick auf Text und Format als auch für Trägermaterialien, Produktion, Handhabung. „Und in dieses spannungsvolle – und mitunter spannungsreiche – Verhältnis von Text, Illustration und Buchraum ist von Anfang an auch die künstlerische Gestaltung von Evangeliaren eingeschrieben“, erklärte die Vorsitzende der Diözesankunstkommission weiter.

Aber nicht nur in der Kunst gebe es diese Entwicklungslinien, fügte Nicole Stockhoff an: „Vielmehr ist das spannungsreiche Verhältnis von Text, von Sprache und Verkündigung den gottesdienstlichen Feiern zutiefst eingeschrieben. In der Liturgie wird immer auch die Gegenwart Jesu Christi im Wort gefeiert.“ Neben der Gewinnerin des Evangeliar-Wettbewerbes gab es drei weitere Preisträger: Zu den Ausgezeichneten zählt Andreas Fink aus Stuttgart. Sein Entwurf ist gekennzeichnet durch Interaktion und Verwandlung. Der Thermolack des Einbandes führt dazu, dass sich die äußeren Schauseiten des Evangeliars bei Berührung – also durch Köperwärme – verändern. Der Umschlag „lebt“, weil er mehrere Erscheinungsformen hat: den passiven, erwachenden und aktivierten Zustand.

Eine Auszeichnung erhielt auch Henrike Franz aus Erlangen. Ihr Entwurf ist ganz in der medialen Gegenwart verortet. Und das gilt sowohl für das Äußere als auch für das Innere des Evangeliars. Das Schriftwort findet auf dem Tablet oder E-Reader seinen Ort. Es erscheint somit in der schlichten technischen Variante als Fließtext schwarz auf weiß. Das Buch eröffnet damit aber auch alle technischen Möglichkeiten des Mediums: Suchfunktionen, Zufallswiedergabe, angepasstes Textlayout,...

Dritter in der Reihe der ausgezeichneten Künstler ist Robert Ziegler aus Berlin. Sein Entwurf hat sich insbesondere dem Gedanken der Inklusion verschrieben. So zeichnet sich das Evangeliar durch eine sinnliche Zugänglichkeit aus: Es lässt sich hören, sehen und fühlen. Mit der Blindenschrift Braille wird das Wort Gottes für Sehende und für Nichtsehende gleichermaßen erfassbar.

Die Mitglieder der Jury waren am Abend der Preisverleihung gleichzeitig die Laudatoren. Dem Gremium gehörten an: Rabea Kaup (Geschäftsführerin BOK+Gärtner, Münster), Dr. Klaus Winterkamp (Generalvikar des Bistums Münster), Dr. Bettina Wellmann (Redakteurin, Katholisches Bibelwerk, Stuttgart), Dr. Susanne Kolter (Vorsitzende der Bischöflichen Kunstkommission, Münster), Dr. Nicole Stockhoff (Geschäftsführerin der Bischöflichen Liturgiekommission, Münster), Dr. Frank Meier-Hamidi (Dozent für Theologie und Philosophie, Akademie Franz Hitze Haus, Münster).

Gudrun Niewöhner