Herausforderungen bleiben

, Kreisdekanat Coesfeld

Weniger Flüchtlinge kommen nach Deutschland. 2016 stellten noch über 722.000 Menschen einen ersten Antrag auf Asyl in der Bundesrepublik. Zwei Jahre später sind es nur noch gut 161.000 Erstanträge. Aber viele Geflüchtete, die Deutschland schon erreicht haben, sind in der Gesellschaft noch lange nicht angekommen. Flüchtlingshilfen wie beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Lüdinghausen sehen neuen Aufgaben der Integration entgegen.

Sabine Schröder und Pia Glitz-Ehringhausen

Sabine Schröder und Pia Glitz-Ehringhausen sind Flüchtlingsberaterinnen beim SkF Lüdinghausen

© Caritas

Jetzt stehen Unterstützung bei Mietangelegenheiten, bei Krankheit oder der Vermittlung in Arbeit an erster Stelle. Weniger „deutsche Bürokratie“ wäre hilfreich, sagt Sabine Schröder. „Die Stimmung war positiv, es gab eine große Willkommenskultur“, beschreibt die Flüchtlingsberaterin das ehrenamtliche und gesellschaftliche Engagement 2016, „jetzt hört man kaum noch etwas“. Obwohl weniger Menschen nach Deutschland kommen, bleibe die Arbeit der Flüchtlingshilfe in Lüdinghausen stark nachgefragt. So wurden im vergangenen Jahr 277 Ausländer in 1182 Terminen von Sabine Schröder und ihrer Kollegin Pia Glitz-Ehringhausen beraten.

Wie sich die Fälle in der Flüchtlingshilfe gestalten sei zunehmend differenziert, sagt Schröder und berichtet exemplarisch aus ihren Beratungen. Ein Ehepaar aus Eritrea hat die lebensgefährliche Flucht aus der Heimat zunächst ohne die drei Kinder angetreten. In Deutschland angekommen, soll die Familie zusammengeführt werden – aber behördliche Anforderungen und Visaverfahren lassen die Eltern verzweifeln. Dazu kommt große Sorge um die minderjährigen Kinder, die noch in einem äthiopischen Flüchtlingscamp leben. Sich bei dieser Belastung auf Arbeitssuche und Deutschkursus zu konzentrieren, sei den Geflüchteten kaum möglich, erklärt Schröder.

In einer anderen typischen Beratung unterstützt der SkF Lüdinghausen einen jungen geflüchteten Mann. Sein Status als Flüchtling ist anerkannt und darüber der Lebensunterhalt vorerst durch die Unterstützung vom Jobcenter gesichert, seine Miete landet direkt auf dem Konto des Vermieters. Der Arbeitssuchende findet erfreulicherweise eine Stelle als Leiharbeiter. Er erhält weniger Geld vom Amt, so dass er die Miete ab sofort selbst überweisen muss. Diese Information einem Behördenbrief zu entnehmen und eine entsprechende Überweisung zu tätigen, sind Aufgaben für den „Systemneuling“ mit geringen Sprachkenntnissen, die mehr als frustrierend sein können, sagt Schröder. „Wir unterstützen und begleiten unsere Klienten, indem wir über rechtliche Voraussetzungen informieren und Kontakt zu Behörden aufnehmen“, erklärt die SkF-Mitarbeiterin. Wenn nötig vermitteln die Flüchtlingsberaterinnen ihre Klienten auch weiter an Rechtsanwälte oder Fachdienste.

Was derzeit aus Sicht von Sabine Schröder fehlt, sind Integrationshelfer, die kultursensibel beraten können. Manchmal komme es vor, dass Hilfsangebote mit dem kulturellen Hintergrund Geflüchteter kollidieren, beschreibt die Flüchtlingsberaterin. So habe eine geflüchtete Frau das Angebot der Behindertenhilfe für ihre Tochter abgelehnt, aus Sorge vor Stigmatisierung. Auch bei der Auseinandersetzung mit westlichen Werten, wie Frauenrechten beispielsweise, sei es wichtig, sensibel zu beraten.

Die ursprüngliche Willkommenseuphorie wurde von politischer Diskussion abgelöst. Das Ende Juni beschlossene „Migrationspaket“ verschärfe die Bedingungen für Asylsuchende. Schröder bedauert, dass Politikern oft die Nähe zur Basis fehle. Anzumerken ist außerdem, dass 2018 weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht waren - diese Zahl liegt so hoch wie nie zuvor. Die Auseinandersetzung mit Flucht bleibt also Thema. Für Deutschland weiß Sabine Schröder, seien Flüchtlingsberatungen weiterhin dringend notwendig und nachgefragt. „Die Inhalte haben sich nur gewandelt“.

Text: Caritas für die Diözese Münster