„Ich fühle mich unendlich bereichert“

, Bistum Münster

Was er alles vermissen wird? Wehmut und Dankbarkeit mischen sich in dem Gesichtsausdruck von Pfarrer Dr. Sylvester Ihuoma: „Die freudigen Gesichter der Kinder, die auf mich zulaufen und rufen ‚Wir müssen dir etwas erzählen!‘“ Es ist eine lebendige und familiäre Gemeinde, geprägt von Gottesdiensten, Begegnung und Musik, die der 49-Jährige Ende September verlässt. Seit der offiziellen Gründung vor 14 Jahren war Pfarrer Ihuoma Leiter der afrikanischen Gemeinde im Bistum Münster mit rund 1500 Mitgliedern. Vorher war er Ansprechpartner der afrikanischen Studierendengemeinde in Münster. Der Abschied nach so langer Zeit fällt schwer. Doch ab Mitte Oktober übernimmt Pfarrer Ihuoma die Leitung zweier Pfarreien in der Schweiz.

Als Pfarrer Ihuoma 1997 nach Münster kam, hatte er bereits bewegte Jahre hinter sich. Ihuoma wurde während des Biafrakrieges im heutigen Nigeria geboren und wuchs mit zehn Geschwistern auf. Schon früh spürte er „eine innere Sehnsucht, der ich unbewusst gefolgt bin“. Er studierte zunächst Philosophie und begann 1992 an der päpstlichen Universität in Rom sein Theologiestudium – eine Zeit, die ihn geprägt hat: „Weltkirche in diesem Sinne zu erleben, mit Priesteramtskandidaten aus aller Welt, das war einmalig.“ Vier Jahre später wurde er in der Ewigen Stadt zum Diakon geweiht, ein Jahr danach in seinem Heimatland zum Priester. Durch ein einmonatiges Stipendium in Bayern kam er erstmals nach Deutschland – und wollte mehr über die deutsche Theologie und Kultur erfahren. Er entschloss sich, an der Universität in Münster zu promovieren. Seitdem lebt er in der westfälischen Metropole und ist Seelsorger für die Katholiken aus Afrika.

Noch gut kann er sich an die Startschwierigkeiten der Gemeinde im Jahr 2004 erinnern: „Es war eine Herausforderung, überhaupt erst einmal Leute zu gewinnen“, blickt er zurück. Viele afrikanische Familien hatten sich aufgrund der Lebendigkeit im Gottesdienst den sogenannten Freikirchen angeschlossen. Dass der persönliche Kontakt eine große Rolle spielt, um Menschen zu begeistern, weiß Pfarrer Ihuoma aus vielen Erfahrungen. „Das kostet viel Kraft, ist aber auch sehr bereichernd.“ Immer mehr Afrikaner schlossen sich der Gemeinde an. Neben den Gottesdiensten und der anschließenden Begegnung gibt es bis heute regelmäßige Angebote wie Exerzitien, Seminare oder gemeinsame Ausflüge.

Pfarrer Sylvester Ihuoma

Pfarrer Sylvester Ihuoma verlässt nach 14 Jahren die afrikanische Gemeinde in Münster.

© Bistum Münster

Auch der Kontakt zur deutschen katholischen Kirche war dem Geistlichen stets wichtig. Zunächst als Kaplan in der Pfarrei St. Martinus in Greven und seit 14 Jahren als Pastor mit halber Stelle in der Pfarrei St. Mauritz in Münster blickt er dankbar auf unzählige Kontakte zurück. Viele Taufen und Trauungen habe er feiern dürfen und dabei versucht, den Menschen ein positives Bild von Kirche zu vermitteln. Dass das gelungen ist, zeigen ihm wiederholte Anfragen von Familien.

Pfarrer Ihuoma ist glücklich und auch ein bisschen stolz, dass es über die Jahre gelungen ist, eine afrikanische Gemeinde zu bilden, in der die Menschen sich wohlfühlen. „Es ist eine Gemeinde, die durch ihre Arbeit einen Beitrag zu Integration leistet“, sagt er. Sprache und Bildung seien die Schlüssel dazu. Immer wieder ermutige er die afrikanischen Mitchristen, die deutsche Sprache zu erlernen und eine Ausbildung zu absolvieren, beispielsweise als Pflegekraft oder Krankenschwester. Eine wichtige Rolle spiele dabei der Glauben und der Austausch untereinander. „Sie freuen sich auf den Gottesdienst und die Begegnung und ich merke ich, dass sie innerlich berührt ihren Dank und ihre Sorgen vor Gott bringen.“ Deutlich werde dies nach der Predigt, wenn der Pfarrer den Gläubigen Zeit gibt, um Gott zu loben – meistens mit ausdrucksstarker Musik. „Diese Intensität, wenn die Verbindung zwischen Gott und den Menschen zum Ausdruck kommt, prägt unsere Gemeinde“, sagt er.

Afrikanische Kinder stehen am Altar.

Die Begegnung mit Kindern, vor allem im Gottesdienst, war Pfarrer Ihuoma besonders wichtig.

© Afrikanische Gemeinde Bistum Münster

Das ist auch Ihuomas Motivation für seine Arbeit auf Bundesebene als Sprecher für die Afrikanerseelsorge in Deutschland, zu dem ihn die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz ernannt hat. Mehrere Katholikentage der Afrikaner in Nordrhein-Westfalen hat er organisiert. Ein Thema, das bei allen Veranstaltungen im Fokus gestanden habe: Erziehung und Pädagogik. „Wir müssen Strukturen schaffen, die den afrikanischen Kindern in Deutschland eine Zukunft ermöglichen, mit einer guten Schulausbildung und einer Heimat in der Kirche. Sie sollen sich wohlfühlen“, sagt Ihuoma. Darüber hinaus gelte es, im Dialog zu bleiben und die Interessen der Afrikaner hörbar zu machen. 

Der Geistliche hat einen Wunsch an die Kirche: „Die katholische Landschaft ist bunt geworden und wenn sich die Kirche immer mehr dieses Reichtums bewusst wird, der beispielsweise auch in den vielen Priestern der Weltkirche steckt, dann kann sie auf vielen Ebenen davon profitieren“, ist er überzeugt.
Im Oktober heißt es für Pfarrer Ihuoma Koffer packen. Er wird die Leitung der beiden Pfarreien in Münchenstein und Arlesheim in der Schweiz übernehmen. „Ich hatte immer vor, mich mit 50 Jahren noch einmal neu herausfordern zu lassen“, sagt er. Als einziger Priester für 6.000 Katholiken werde das sicherlich eine Herausforderung. „Aber ich habe das Wohlwollen der Gemeinde gespürt, sie freuen sich auf mich“, sagt er und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Und ich vertraue auf den Heiligen Geist.“

Auch wenn ihm der Abschied in diesen Tagen nicht leicht fällt, Pfarrer Ihuoma schaut vor allem dankbar auf die zurückliegenden Jahre: „Ich fühle mich unendlich bereichert. Immer wieder habe ich mir gesagt: ‚Gott sei Dank, dass ich Priester bin und dass Gott durch meine Person Menschen berühren kann.“ 

Pfarrer Ihuoma wird am Sonntag, 30. September, um 11.30 Uhr mit einem Gottesdienst in der St.-Pius-Kirche in Münster und einem anschließenden Festakt verabschiedet. 

Ann-Christin Ladermann