Juristentreffen thematisiert Zahlungen an von sexualisierter Gewalt Betroffene

, Bistum Münster

Die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beschlossenen Neuregelungen zu den „Zahlungen zur Anerkennung des Leids“ an Betroffene sexualisierter Gewalt sind am 29. September Thema beim Juristentreffen des Bistums Münster gewesen. Dazu kamen in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster die unter Corona-Bedingungen zulässigen 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Bischof Dr. Felix Genn zusammen.

Nebeneinander stehen (von links) Antonius Hamers, Felix Genn, die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger und Stephan Rixen.

Über den kirchlichen Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt diskutierten (von links) Antonius Hamers, Felix Genn, die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger und Stephan Rixen.

© Bistum Münster

Mit Prof. Dr. Stephan Rixen hatte das Treffen den passenden Referenten. Der Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Sozialwirtschafts- und Gesundheitsrecht an der Universität Bayreuth ist beratendes Mitglied der DBK-Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. In deren Auftrag hatte er in einer Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Reform des Entschädigungsverfahrens mit erarbeitet.

Bischof Genn kritisierte in seiner Begrüßung klar den früheren Umgang der Kirche mit sexualisierter Gewalt. Mit den Neuregelungen „versuchen wir, uns der eigenen Geschichte und Verantwortung zu stellen. Dabei werden wir Fehler machen, das darf aber nicht dazu führen, dass wir nur noch im Schneckentempo voran kommen.“ Kein Geldbetrag könne das Unrecht ausgleichen, Zahlungen seien aber wichtig als Anerkennung der Betroffenen.

In seinem Vortrag zeichnete Rixen die innerkirchliche Entwicklung nach: „Die Diskussion, wie Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren kann, hat es in der Kirche nicht leicht gehabt. Wer aber nicht bereit ist, die Folgen solcher Taten für den gesamten Lebenskontext der Betroffenen ernst zu nehmen, verbaut den Weg zu einer guten Auseinandersetzung mit dem Thema.“

Der Experte erläuterte und bewertete die Regelungen. Die Beschlüsse gäben einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Bistümer Handlungsspielraum hätten. Zur Höhe der Zahlungen empfahl Rixen, „im Blick zu behalten, dass es um mehr geht als um Körperverletzungen, nämlich um Taten, die die gesamte Persönlichkeit der Opfer betreffen.“ Des Weiteren gab er zu bedenken, dass bei der Beschlusslage nicht einheitlich klar sei, wer in den Bistümern die Plausibilitätsprüfung geschilderter Fälle übernehme, ob das bistumsübergreifende Entscheidungsgremium diese überprüfe und ob Betroffenen, die schon Zahlungen empfangen hätte, noch einmal durch ein komplett neues Antragsverfahren gehen müssten.

Letzteres schloss in der folgenden, von Dr. Antonius Hamers moderierten Diskussion Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp für das Bistum Münster aus. Man werde alle bekannten Betroffenen anschreiben, eine erneute Plausibilitätsprüfung werde es nicht geben. Auch der Interventionsbeauftragte Peter Frings bestätigte, das Bistum vertraue Betroffenen und wolle niedrigschwellige Meldungen  ermöglichen.

Rixen stellte abschließend Grundhaltungen dar, die einen guten Umgang mit Betroffenen erschweren: zum einen die „paternalistische und pseudo-fürsorgliche Abwertung“ der Betroffenen, dass diese durch Geld ohnehin keinen Frieden fänden, und zum anderen der Versuch, Betroffene stillschweigend für finanzielle Belastungen der Kirche verantwortlich zu machen. „Das Christentum sei die einzige Weltreligion, die die Verletzlichkeit des Menschen in den Blickpunkt rücke und mit dem Buch Hiob dem Umgang mit dem Leid sogar ein ganzes Buch widme. „Darin steckt viel Potenzial, Leid und Verletzungen ernst zu nehmen“, sagte Rixen, „die Bistümer müssen das in die Tat umsetzen, dabei auf die Betroffenen schauen und ihnen signalisieren, dass sie sie hören möchten.“ Er wünsche sich, dass die Betroffenen die Neuregelungen „als Signal wahrnehmen, dass die Kirche ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen will.“

Anke Lucht