KAB-Kolping-Initiative bekommt Aufmerksamkeit

, Bistum Münster

Der offenkundige Missbrauch von Arbeitsverträgen und die systematische Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern aus der Fleischindustrie haben Spuren in Gesellschaft und Politik hinterlassen. Mit ihrer gemeinsamen Initiative „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ und ihrem offenen Brief „Lohndumping nicht nur an Schlachthöfen“ treffen die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Münster und die Kolpingfamilie Everswinkel derzeit auf offene Ohren unter den Politikerinnen und Politikern.

(von links): Michael Prinz, Hermann Hölscheidt (KAB), Sybille Benning (MdB), Johannes Röring (MdB), Reinhold Sendker (MdB), Werner Schniedermann (Kolping), Marc Henrichmann (MdB), Elisabeth Hönig (KAB), Pfarrer Pawel Czarnecki (Kolping) und Henning Rehbaum (MdL).

© Monika Thies

Die Tarifflucht von Unternehmen stoppen, die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber anmahnen, würdige Arbeit und Tariflöhne für alle Arbeiter sowie faire Wettbewerbsbedingungen für den Mittelstand – das sind zentrale Forderungen, die die Vertreter der beiden katholischen Erwachsenenverbände an die Politik stellen. In einem offenen Brief hatten sie die Bundestags- und Landtagsabgeordneten aus dem Bistum Münster sowie die Landesregierung Nordrhein-Westfalen aufgefordert, sich für eine gesetzliche Regelung und branchenweiten Tariflöhne einzusetzen. Seither werden die Vertreter der Initiative, Hermann Hölscheidt (KAB) und Werner Schniedermann (Kolping), immer wieder zu Gesprächen und Treffen mit Abgeordneten eingeladen.

Deutschland Lohndumpingparadies

Werner Schniedermann von der Kolpingfamilie Everswinkel engagiert sich seit vielen Jahren gegen unfaire Löhne und für verpflichtende Löhne in allen Branchen. Er erinnerte bei einem Treffen mit den CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Münsterland daran, dass viele Mitarbeiter im Niedriglohnsektor in der Corona-Krise für systemrelevant erklärt worden seien. Es habe zurecht viel Applaus für Beschäftigte in Paketdiensten oder im Einzelhandel gegeben, aber nun dürfe man sie nicht weiter im Niedriglohnsektor stecken lassen, warnte er. Noch sei Deutschland eine Art „Lohndumpingparadies“, klagte der Kolping-Mann. Nun brauche es klare und einheitliche, gesetzliche Regelungen, die gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen festlegen.

„Wo Vertrauen verspielt wurde, muss der Gesetzgeber handeln.“

Der Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann hatte ein Treffen mit den Vertretern von KAB, Kolping und mit CDU-Abgeordneten aus dem Münsterland organisiert. Er bekannte sich als Fan von Selbstkontrolle und Selbstverpflichtungen, sehe nun aber auch die Grenzen: „Wo Vertrauen verspielt wurde, muss der Gesetzgeber handeln“, formulierte er deutlich und betonte, dass neben gesetzlichen Regelungen für die Arbeitgeber auch die Arbeiter selbst gestärkt werden müssten, ihre Rechte wahrzunehmen. Arbeitsrechtliche Beratung sei ein wichtiger Baustein, findet auch die stellvertretende KAB-Diözesanvorsitzende Elisabeth Hönig. Die KAB selbst berät ihre Mitglieder in Fragen des Arbeitsrechts – deshalb weiß Hönig auch, dass es parallel zur konkreten Einzelfallberatung immer auch die Suche nach politischen Lösungen braucht. „Die Beschäftigten müssen wissen“, so die stellvertretende KAB-Frau, „dass die Politiker an ihrer Seite stehen.“

„Impfstoff gegen Populismus und Radikalisierung“ 

Die Würde der Arbeitnehmer sowie ihr Recht auf existenzsichernden Lohn müsse wieder in den Mittelpunkt gerückt werden, ist Hermann Hölscheidt, Diözesansekretär der KAB Münster überzeugt. Das käme der ganzen Gesellschaft zugute. „Soziale Ausgewogenheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten braucht Leitplanken wie die Tarifbindung, damit fairer Wettbewerb und faire Arbeitsbedingungen für alle möglich sind“, erklärt er. Außerdem sei mit niedrigen Löhnen, massive Altersarmut vorprogrammiert. „Im Grunde ist eine Grundrente, die mit Steuermitteln gestützt wird, eine nachträgliche Subventionierung der Tarifflucht“, kritisiert Hölscheidt. Dagegen führten Tariflöhne zu höheren Renten und entlasteten die Rentenkasse.

Wie der KAB-Diözesansekretär befürchtet auch Werner Schniedermann, dass es nach der Corona-Krise zu massiven Verteilungskämpfen kommen könnte. Rechtspopulismus drohe. Pfarrer Pawel Czarnecki, der aus Polen stammende Präses der Kolpingfamilie Everswinkel, konnte das aus eigenen Erfahrungen bestätigen: In Polen haben viele auch deshalb eine rechte Partei gewählt, weil diese erkannt hatte, wie wichtig existenzsichernde Löhne sind. „Ein Teil der Bevölkerung deutete das so: Uns wurde die Würde zurückgegeben“, erklärte Czarnecki. Auch deshalb müssen die demokratischen Parteien jetzt schnell handeln, findet Schniedermann. „Eine funktionierende Sozialpartnerschaft als tragende Säule der Sozialen Marktwirtschaft ist quasi ein Impfstoff gegen Populismus und Radikalisierung“, resümiert er.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fand bei einer Veranstaltung Zeit, um mit der KAB-Kolping-Initiative zu sprechen. Heil bestätigte die Kritik der beiden Verbände: „Wir haben in Deutschland durch Tarifflucht von Unternehmen bei den Arbeitnehmern eine Zweiklassengesellschaft“, sagte der Minister und kündigte eine Gesetzesinitiative gegen Lohndumping und zur Stärkung der Allgemeinverbindlichkeit von Lohntarifen an. Darin möchte der Minister auch verbindlich festschreiben, dass öffentliche Aufträge nur an tarifzahlende Unternehmen vergeben werden.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet versprach in einem Schreiben an die KAB und die Kolpingfamilie: „Wir werden mit Arbeitsminister Karl-Josef Laumann weiter daran arbeiten, dass die Tarifbindung gestärkt wird und es in einem fairen Wettbewerb gute Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gibt.“

„Wo es um Menschenwürde geht, dürfen Christenen nicht schweigen.“

Dicke Bretter werde man bohren müssen, auch in der eigenen Partei, hatte Henning Rehbaum, wirtschaftlicher Sprecher der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, prophezeit, wenn man gesetzliche Rahmenbedingungen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort festlegen wolle. Die KAB und die Kolpingfamilie Everswinkel werden das weiter beobachten, denn so KAB-Diözesanpräses Michael Prinz: „Wo es um die Würde des Menschen gehe, dürfen wir Christen und Christinnen weder wegsehen noch schweigen.“

Text: Heike Honauer