Katholikentag, Flüchtlingsfrage und § 219 sind Themen bei Großer Prozession

, Stadtdekanat Münster

„Wir dürfen Menschen nicht dem Tod überlassen. Wer Menschen untergehen lässt, versündigt sich am Leben, an Gott. Christen stehen immer, mit allen Menschen guten Willens auf der Seite des Lebens. Das hat nichts mit Naivität zu tun. Wir sind, wie Gott es ist, Freunde des Lebens und nicht Hüter von tödlichen Grenzen.“ Mit diesen Worten hat sich der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am 1. Juli in Münster zur europäischen Flüchtlingspolitik geäußert. Der Bischof feierte im St.-Paulus-Dom die Heilige Messe aus Anlass der Großen Prozession. Bei dieser waren die Gläubigen zuvor von der Marktkirche St. Lamberti durch die Stadt und über den Prinzipalmarkt zum Dom gezogen. Die Prozession stand unter dem Leitwort „Pax optima rerum – der Friede ist das Beste aller Dinge“. Sie nahm mit diesem Wort, das am Eingang zum Friedenssaal des Rathauses in Münster steht, Bezug auf den Deutschen Katholikentag, der im Mai unter dem Leitwort „Suche Frieden“ in Münster stattgefunden hatte. Im Dom konzelebrierten mit Bischof Genn Stadtdechant Jörg Hagemann und Pfarrer Paulo Areias von der portugiesischen Mission. Die Große Prozession wird vom Stadtdekanat Münster und dem Domkapitel veranstaltet.

In seiner Predigt blickte Bischof Genn auf den Katholikentag zurück. Er richtete ein ausdrückliches Wort des Dankes an die vielen Menschen, Gruppen, Gemeinden und Institutionen für ihre großartige Unterstützung. „Das Leitwort ‚Suche Frieden‘ hat die Tage in Münster nicht nur theoretisch geprägt und war Anlass zu Diskussionen und sachlichen Auseinandersetzungen, sondern hat durch die gesamte Atmosphäre nachhaltige Gestalt gefunden. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass es weiterwirkt in den Herzen aller, um sowohl mit sich selbst als auch im eigenen Lebenskreis Frieden zu finden und nicht zuletzt auch in der Gesellschaft und in der Welt“, betonte der Bischof.

Frieden zu suchen sei weiterhin hoch aktuell und zeige sich auch an der Flüchtlingssituation. Bischof Genn: „So lange Menschen aus ihren Heimatländern fliehen, weil sie dort keine Sicherheit und Zukunft finden, können wir nicht von Frieden sprechen. So lange Menschen von Schlepperbanden ausgenutzt werden, können wir nicht von Frieden sprechen. So lange Menschen auf überfüllten Schiffen im Mittelmeer eine Aufnahme in einzelne Länder suchen, aber abgewiesen werden und so einer ungewissen Zukunft entgegensehen, ja vielleicht sogar sterben müssen, können wir nicht von Frieden sprechen.“ Der Bischof erinnerte daran, dass die Pflicht zur Rettung von Menschen in Seenot im Völkerrecht verankert sei. Christen seien im Blick auf die Flüchtlinge – bei allen Schwierigkeiten, die es in diesem Zusammenhang gebe – herausgefordert, dem Wort Jesu aus dem Matthäusevangelium zu folgen: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“ Christen blieben verpflichtet, zu einer großen Sensibilität beizutragen, „dass wir auch in jedem Migranten, in jedem Flüchtling, dem Herrn begegnen können.“ Das gelte, weil Gott selbst sich mit Migranten und Flüchtlingen identifiziere.

Der Bischof ging auch auf die Frage einer möglichen Veränderung des § 219 ein, in dem es um das Verbot der Werbung für Abtreibungen geht. Das Ringen um die schwächsten Glieder der Gesellschaft, nämlich die ungeborenen Kinder und die unheilbar Kranken, zeigten ihm, dass es auch hier um den Frieden gehe, sagte Bischof Genn und fuhr fort: „Es ist mir völlig klar, dass es ganz schwierige Situationen der Not geben kann. Hier ist Abtreibung in bestimmten Situationen als straffrei erklärt worden, aber sie bleibt rechtswidrig.“ Die Debatte über das Werbeverbot zeige, dass das Bewusstsein für den Wert des ungeborenen Lebens gemindert sei. 

Der Bischof zitierte einen Zeitungsartikel, in dem in diesem Zusammenhang von einem „Werteverlust und der Geringschätzung des Rechts auf Leben in all seinen Phasen“ gesprochen werde. Werbung für etwas grundsätzlich Rechtswidriges zu treiben, verbiete sich von selbst, nahm der Bischof Bezug auf die Berichterstattung. In dem Artikel sei zu Recht die Notwendigkeit eines wachen Gewissens für die Einzigartigkeit des Lebens betont worden. Verbunden damit müsse der klare Blick für die Not vieler Frauen sein, die leider oft mit der Verantwortungslosigkeit von Männern einhergehe. „Es muss doch möglich sein, Kindern eine gute Zukunft zu eröffnen“, zitierte der Bischof aus dem Artikel. Er wies auf die vielen Beratungsstellen im Bistum hin, die Frauen und Familien helfen könnten, mit den bisweilen sehr schwierigen Situationen umzugehen. „Ja, auch wenn eine Frau zu der Entscheidung gefunden hat, ihr Kind abzutreiben, helfen wir weiterhin, mit dieser Entscheidung leben zu können. Wir können Perspektiven des Lebens öffnen“, betonte Bischof Genn.

Gott, so sagte er, sei ein „Gegner des Todes“. Von Jesus ströme eine Kraft aus, die heile, die Leben und nicht Tod, die Frieden und nicht Krieg bringe. „Ja, gerade durch seinen Tod, der ihn vollständig arm und elend gemacht hat, strömt bis heute eine Liebeskraft aus, Rettung und Heil“, betonte Bischof Genn.  

Der Großen Prozession voraus getragen worden war traditionell eine Nachbildung des historischen Pestkreuzes, dessen Original im Stephanuschor des Domes hängt. Es verweist auf die Ursprünge der Großen Prozession im Jahr 1383. Nach einer Pest-Epidemie und einem Großbrand gelobten Bürgerschaft und Geistlichkeit damals, künftig jährlich bei einer Buß- und Bittprozession um Schutz vor solchem Unglück zu beten.

Für die musikalische Gestaltung sorgten der Stadtdekanatschor, der Domchor, der Mädchenchor am Dom sowie die Capella Ludgeriana unter der Leitung von Domkapellmeister Alexander Lauer. An der Orgel spielte Domorganist Thomas Schmitz. Während der Prozession und der Messe musizierte das Blechbläserensemble „blechgewand(t)“.
Bildunterschrift: Mit der Nachbildung des historischen Pestkreuzes voraus zogen die Teilnehmer der Großen Prozession durch Münsters Innenstadt.

Text: Bischöfliche Pressestelle / Dr. Stephan Kronenburg
Foto: Bischöfliche Pressestelle / Ann-Christin Ladermann