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"Musik und Tanz sind keine unbekannten Elemente in der Kirche"

, Kreisdekanat Kleve

Wie modern die Weihnachtsgeschichte auch heute noch ist, hat die Neuinszenierung des Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach in Kevelaer bewiesen. Jeweils mehr als 400 Menschen kamen am 28. und 29. Dezember in die Marienbasilika, um die Inszenierung „Jauchzet! Frohlocket!“ mit Gesang und Tanz zu erleben. Im Interview berichtet Pastoralreferent und Mitinitiator Dr. Bastian Rütten, wie er die vergangenen Tage erlebt hat.

Eine lange Zeit harter Arbeit liegt hinter Ihnen. Wie fühlen Sie sich jetzt, nach den Aufführungen?
Rütten Es war sehr beeindruckend, wir hatten zwei ausverkaufte Abende mit jeweils rund 400 Gästen in der Basilika. Die Nachfrage war so groß, dass wir auch die Seitenschiffe geöffnet haben, in denen das Geschehen auf Leinwand zu sehen war. Die erste Idee zu der Inszenierung hatten Romano Giefer, Fabian Matussek und ich vor einem Jahr, das war nun ein guter Abschluss des Jahres.

Das Weihnachtsoratorium ist im besten Sinne ein „Klassiker“ ¬– wie sind Sie daran gegangen?
Rütten Wir haben im übertragenen Sinne ein Skalpell genommen und das komplette Oratorium seziert. Und rückblickend ist diese Idee aufgegangen. Unser Erzähler, Fabian Matussek, hat die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine Reise durch die Weihnachtsgeschichte geführt, immer mit der Verbindung ins Heute. Natürlich waren wir vorher echt nervös, bei uns sind alle Fäden zusammengelaufen, das war emotional sehr intensiv, gleichzeitig aber auch entspannt, weil wir die Leute vom ersten Moment an erreichen konnten. Deshalb konnten wir die Abende auch selber genießen.

Orchester, Chor, Solisten, Tänzerinnen – wir haben die rund 130 Akteure das Projekt erlebt?
Rütten Das war schon spannend, weil sich die einzelnen Projektgruppen erst bei der Generalprobe zum ersten Mal gemeinsam getroffen haben. Auch wenn jeder von den anderen Gruppen wusste war doch keinem wirklich klar, was die jeweils anderen machen. Und schon bei der Generalprobe war eine Ergriffenheit bei den Aktiven zu spüren, die sich auf die Abende in der Basilika übertragen hat. Sie haben nicht das Oratorium aufgeführt, sondern die Weihnachtsgeschichte erzählt.

Klassische Musik mit modernen Elementen in der Basilika aufzuführen, das könnte auch kritisch gesehen werden…
Rütten Zunächst: Musik und Tanz sind keine unbekannten Elemente in der Kirche, die Tradition der christlichen Mysterienspiele kann man bis zu Hildegard von Bingen zurückverfolgen, die im 12. Jahrhundert gelebt hat. Unsere Inszenierung war keine Tanzaufführung, sondern ein Ausdruck der Frohen Botschaft. Ich kann selbstverständlich verstehen, wenn sich jemand persönlich zum Beispiel vom Tanz nicht angesprochen fühlt, weil es nicht seinem Geschmack entspricht. Aber grundsätzlich hat das seinen Platz in der Kirche. Alle Akteure, bis hin zu den Kindern im Mädchenchor, haben viel Zeit verbracht, um sich mit der Frohen Botschaft von der Geburt Jesu auseinandergesetzt, anders wäre dieser Zugang zum Oratorium nicht möglich gewesen, vor allen Dingen aber auch nicht die Übertragung in die Moderne. Wir haben die Weihnachtsgeschichte ins Heute übersetzt.

Wir haben die Zuhörerinnen und Zuhörer reagiert?
Rütten Die Leute mussten das erstmal verdauen, was sie erlebt haben, das hat man an der langen Pause zwischen dem Ende und dem einsetzenden Applaus gemerkt. Auch das war unser Plan, wir haben an das Ende des Oratoriums nämlich noch eine Arie aus der Johannespassion angefügt. Die Botschaft: Die Geschichte ist hier noch nicht am Ende, Weihnachten ist erst der Anfang. Ich glaube, diesen Impuls haben viele Menschen mit nach Hause genommen. Wir wollten im positiven Sinne betroffen machen und ansprechen und ich freue mich, wenn uns das gelungen ist.

Gibt es weitere Gelegenheiten, das Weihnachtsoratorium zu erleben?
Rütten Wir werden die Inszenierung noch einmal in Gladbach zeigen, am Freitag, 3. Januar, ab 20 Uhr im St.-Petrus-Münster. Das freut mich besonders, dass etwas aus Kevelaer entsteht und darüber hinaus wirkt. In Gladbach wird es noch Karten an der Abendkasse geben, Einlass ist ab 19 Uhr.

Christian Breuer