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Neue Bilder, neue Haltung und mehr Austausch sind gefragt

, Bistum Münster

Massenweise sind in den vergangenen Wochen in London Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren und vorbeugendes Verhalten einzufordern – auch und vor allem von Männern. Ann-Kathrin Kahle und Beate Meintrup, Präventionsbeauftragte des Bistums Münster, sind überzeugt, dass dafür vor allem ein gesellschaftlicher Wandel der Haltung aller nötig ist, der früh ansetzen sollte. „Wir müssen neue Bilder von Frauen und Männern vermitteln“, sagt Kahle, „schon Mädchen müssen wissen, dass sie wehrhaft sein dürfen, und Jungen brauchen gute Vorbilder, um ein ebenso selbstbewusstes wie sensibles Auftreten und ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln.“

Gewalt gegen Frauen, wissen die Expertinnen, ist viel häufiger eine Machtdemonstration und ein Abbauen von Frust als tatsächlich sexuell motiviert. „Mit Blick auf Macht in der Gesellschaft haben sich Frauen und Männer gleichermaßen über Jahrtausende an männliche Dominanz gewöhnt“, sagt Meintrup. In diesem Zusammenhang würden Frauen häufig schon in der Kindheit dazu angehalten, sich zu ihrer eigenen Sicherheit vorsichtig zu verhalten und Strategien zu Selbstverteidigung und zum Eigenschutz anzueignen. „Damit wird die Verantwortung einseitig den Frauen zugewiesen“, verdeutlicht Meintrup.

Für ebenso wenig zielführend halten es die Fachfrauen, Männer pauschal als potenzielle Gefährder wahrzunehmen und die Geschlechter gegeneinander auszuspielen. Sie laden stattdessen ein, „einander Erfahrungswelten zu schildern und sich diese gegenseitig zugänglich zu machen.“ Auch darüber, wie Frauen Situationen wahrnehmen und wo – vielleicht mit einem anzüglichen Spruch oder Blick – für sie Grenzverletzungen beginnen, sollten die Geschlechter untereinander ins Gespräch kommen. Dabei seien auch Frauen selbst aufgerufen, untereinander solidarisch zu sein und auf Aussagen wie „Stell dich doch nicht so an“ zu verzichten. „Sowohl Frauen als auch Männer müssen sich bewusst sein, dass es für andere Menschen andere Grenzen geben kann als für mich, und müssen ein Gespür entwickeln, wo die Würde eines Menschen durch Grenzüberschreitungen verletzt wird“, sagt Meintrup.

Mit einer solchen Haltung könnten dann auch Kinder zu ebenso sensiblen wie selbstbewussten Menschen erzogen werden. „Denn ich kann in der Erziehung nur die Haltung vermitteln, die ich selbst habe“, sagt Meintrup. Neben den Eltern seien dabei Kitas und Schulen gefragt, dem gesellschaftlichen Erziehungsauftrag nachzukommen. Wesentlich sei außerdem die aktive Beteiligung starker, positiver männlicher Vorbilder an der Erziehung und deren Präsenz in der Gesellschaft.

Ergänzend verweisen die Präventionsfachfrauen auch auf die Verantwortung, die Medien gerade angesichts einer heute schnell zu empörenden und erhitzenden Öffentlichkeit zukommt. Bei der Berichterstattung über Gewalttaten sei es ein Unterschied, ob durch die Berichterstattung eine gesellschaftliche Debatte gefördert werden oder vor allem Schlagzeilen gemacht werden sollten.

Anke Lucht