Pfarrer Johannes Hammans über die Trauer in der Corona-Pandemie

, Kreisdekanat Coesfeld

Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen hat dazu aufgerufen, an jedem Tag der Fastenzeit in einem europäischen Land an die Opfer der Corona-Pandemie zu erinnern. In Deutschland ist dieser am Samstag, 27. Februar. Im Kreis Coesfeld sind 72 und in der Stadt Coesfeld 27 Verstorbene (Stand 24.2.) zu beklagen, die an oder mit einer Covid-19-Infektion verstorben sind.

Pfarrer Johannes Hammans blättert in einem alten Fotoalbum.

Bildunterschrift:
Gern erinnert sich Johannes Hammans an seinen Onkel Fritz, der an Corona verstorben ist.

© Bistum Münster

„Sie sind oft einsam verstorben und ihre Angehörigen einsam zurückgeblieben. Die Isolierung ist für mich das größte Drama in dieser Zeit“, sagt Pfarrer Johannes Hammans. Der Seelsorger der Anna-Katharina-Gemeinde in Coesfeld hat einige Opfer der Pandemie beerdigt und weiß um den Schmerz der Hinterbliebenen. „Sie konnten ihre Lieben nicht begleiten, nicht berühren. Auch die Patienten haben das gespürt, selbst wenn sie im Koma lagen. Da bin ich sicher“, berichtet er weiter. Auch wenn die Angehörigen die Patienten inzwischen mehr als im ersten Lockdown im Krankenhaus begleiten dürfen, sei es für alle eine schwierige Situation. „Auch für mich als Seelsorger. Wenn ich zur Krankensalbung gerufen werden, stehe ich mit Schutzanzug, Maske, Visier und Handschuhen am Krankenbett. Die Krankensalbung ist ein Sakrament, das Nähe weitergibt. Das geht bei Corona-Patienten nicht. Ich darf sie nicht berühren“, berichtet Hammans. Hinzu käme die eigene Sorge vor der Infektion. „Sie ist nicht so stark, aber verdrängen kann man es auch nicht“, gibt er zu.

Im Vergleich zum vergangenen Frühjahr seien die Familien heute dankbar, dass sie ihre Angehörigen ein kleines Stück auf diesem Weg begleiten durften. Jedoch haderten sie beispielsweise damit, dass jemand, der an Covid-19 verstorben sei, nicht aufgebahrt werden dürfe. „Es fehlen aus Infektionsgründen bei einer Beerdigung viele Rituale, die helfen, das Geschehene zu verarbeiten“, sagt Hammans. Er könne nicht sehen, ob seine Worte in der Predigt die Menschen trösten und wirklich ankommen. „Ich schaue in maskierte Gesichter und habe das Gefühl, ich spreche in einen luftleeren Raum hinein. Das finde ich schwierig, denn Emotionen sind wichtig für die Trauerarbeit“, weiß er. Auch eine Verabschiedung der Trauergäste auf dem Friedhof sei trostlos. „Man führt dort keinen Smalltalk. Da fehlt das gemeinsame Kaffeetrinken, bei dem man gemeinsam lachen und weinen kann“, hat er erfahren. „Diese Isolation tut mir in der Seele weh.“

Die Pandemie hat den Pfarrer auch selbst getroffen. Er hat seinen Onkel Fritz am Niederrhein im vergangenen Frühjahr nach einer Corona-Infektion beerdigen müssen. „Diese Beerdigung beschäftigt mich bis heute“, gibt er zu. Der jüngste Bruder seiner Mutter hatte mit seinen Geschwistern in Ägypten Urlaub gemacht. „Er wurde krank, hatte Corona-Symptome und wurde von der Polizei in ein Militärkrankenhaus gebracht“, berichtet Hammans. Dort sei er zwar medizinisch gut versorgt worden, jedoch unter unwürdigen Bedingungen. Die anderen Mitreisenden mussten das Land verlassen in dem Wissen, sie lassen ihren Bruder zurück. Sie konnten sich nicht verabschieden. Von Deutschland aus habe die Tochter versucht, das Krankenhaus zu finden und ihren Vater in die Heimat zu holen. „Aber das hat alles nicht funktioniert. Über eine Ärztin der Maltester konnten sie ein wenig Kontakt halten“, informiert Hammans weiter. Vier Wochen später habe die Familie die Nachricht erhalten, dass der Vater, Bruder und Onkel verstorben sei. „Auch die Überführung hat richtig Nerven gekostet“, hat Hammans miterlebt. Er mag gar nicht daran denken, wie allein sich sein Onkel Fritz in dem fremden Land, mit der fremden Sprache gefühlt haben mag. „Wir haben in dem Zorn und der Wut gelebt, in welchen Verhältnissen er gestorben ist. Und in der Trauer, dass wir ihm nicht nah sein konnten. Das hat den Trauerprozess noch verstärkt“, sagt Hammans. Der 78-Jährige sei ein kommunikativer Mann gewesen, war in zahlreichen Vereinen und in der Gemeinde aktiv. „Und an seiner Beerdigung durften nur 20 Menschen teilnehmen. Das war dramatisch“, erinnert er sich.

Die Isolierung, das Alleinsein mache vielen Angehörigen von Verstorbenen in dieser Zeit zu schaffen. „Sie sind in ihrer Trauerphase allein. Es kann niemand kommen und sie einfach mal in den Arm nehmen. Das geht in dieser Pandemie nicht“, bedauert Hammans. Jedoch hat er beobachtet, dass die Menschen nach kreativen Möglichkeiten suchen, um ihre Nähe und ihre Anteilnahme auszudrücken. „So hat beispielsweise in einer Nachbarschaft jeder Nachbar zur gleichen Zeit eine Kerze an die eigene Haustür gestellt, um den Angehörigen auf diese Weise ihre Verbundenheit und Anteilnahme zu zeigen“, nennt Hammans ein Beispiel.

Michaela Kiepe