Platznot in Frauenhäusern: Wenn NRW nur noch rot ist...

Typisch Vorführeffekt: Heute zeigen sich ein paar wenige grüne Haussymbole zwischen den vielen roten auf der NRW-Karte. Das ist seit zwei Jahren schon ungewöhnlich, erklärt Christine Merten-Stephani, Leiterin des Frauenhauses in Moers: "Letzte Woche gab es kein einziges grünes Haus". Also kein freier Platz in einem der 62 Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen.

Ein immer drängenderes Problem, denn eine Warteliste kann natürlich nicht geführt werden, wenn eine Frau vor der Gewalt ihres Partners Schutz sucht. Dann rufen Merten-Stephani und ihre Kollegin Ursula Reuther trotzdem die roten, als voll gemeldeten Häuser an in der Hoffnung, vielleicht doch noch eine Lücke zu erwischen. Notfalls müssen sie es über die Landesgrenzen hinweg versuchen. Aber da sieht es eigentlich auch nicht anders aus als in NRW.

Dass die Plätze knapp sind, ist an sich keine neue Situation. Aber so hoch wie seit zwei Jahren waren die Belegzahlen noch nie. Das Problem der häuslichen Gewalt ist laut Statistik nicht gewachsen, erklärt Merten-Stephani. Aber die Nachfrage, weil vermehrt auch geflüchtete Frauen vor häuslicher Gewalt Zuflucht suchen. Hauptgrund aber ist, dass es immer schwieriger wird, eine neue Wohnung zu finden, in die die Frauen mit ihren Kindern wieder ausziehen können.  "Früher blieben sie eher drei Monate, jetzt sind es im Durchschnitt fünf bis sechs", berichtet Ursula Reuther.

Die gestiegene Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt und die nicht zuletzt dadurch gestiegenen Mietpreise machen sich hier bemerkbar. Es wird wohl gebaut, beobachtet Sarah Mohr, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Moers, der Träger des Frauenhauses ist. Aber eben nur hochpreisig. Da die Frauen in der Regel über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügen und von Arbeitslosengeld II leben müssen, kommen die meisten Wohnungen für sie nicht infrage. Die Regeln der Jobcenter sind streng und die erlaubten Größen und Mietpreise gering. Die Wohnungsnot "schwappt rüber aus den großen Städten", sagt Merten-Stephani. Und wird auch in Moers immer spürbarer.

Ein weiterer Aspekt für den längeren Aufenthalt ist der höhere Aufwand, die Situation der geflüchteten Frauen zu klären. Das fängt bei der Sprache erst an, da freuen sich die SkF-Mitarbeiterinnen "über den Google-Übersetzer". Es kann zwar auch ein Sprachmittler vom Landschaftsverband Rheinland angefordert werden, aber das eher für Termine mit dem Rechtsanwalt, "aber weniger für die allgemeine Arbeit", so Merten-Stephani.

Einfach anbauen oder ein paar Betten dazu stellen, ist auch keine Lösung. "Wir haben vor Jahren den Dachboden ausgebaut, aber das ist eher ein Notbehelf," beschreibt Sarah Mohr die Situation in dem Altbau in der Moerser Innenstadt, der seit 35 Jahren den Frauen Zuflucht bietet. Es würden schon mal Reisebetten für die Kinder zugestellt, aber: "Wir wollen kein Obdach sein", stellt Christine Merten-Stephani klar. Um die maximal neun Frauen zu betreuen, die hier erst einmal zur Ruhe kommen und dann eine neue Lebensperspektive finden können, zu betreuen, braucht es genügend Mitarbeiterinnen.

Deren Zahl aber bleibt bei vier gedeckelt und seit Jahrzehnten ist die Finanzierung der Frauenhäuser ohnehin eine freiwillige Leistung und damit unsicher. "Auch deswegen können wir nicht einfach die Platzzahl ausweiten", sagt die SkF-Geschäftsführerin. Der Aufwand für jeden einzelnen Fall ist beträchtlich. Es geht erst einmal um die Existenzsicherung, Anträge beim Jobcenter müssen dafür gestellt werden, Kindergeld und meist auch Unterhaltsvorschuss müssen beantragt werden. Oft, so Ursula Reuther, sind die Unterlagen dafür unvollständig. Parallel laufen Arzttermine und Gespräche mit der Erziehungsberatung, weil die Kinder die Gewalt miterlebt haben, oder es müssen psychologische Therapien vermittelt werden.

Möglicherweise gibt es auch Schulden, von denen die Frau gar nichts weiß, spricht Reuther eine weitere Problematik an. Weil der Mann einfach auf den Namen ihrer Frau online weiterhin fleißig bestellt. Oder die Frau hat noch nie über eigenes Geld verfügt und muss den Umgang damit lernen. "Es geht sehr viel um Alltagsbewältigung", fasst die Sozialarbeiterin zusammen. Trotzdem haben die SkF-Mitarbeiterinnen zum  Beispiel zusätzlich einen Fahrradkurs organisiert, weil viele Frauen mit Migrationshintergrund dies nie gelernt haben.

Da wäre es entlastend, gäbe es wieder mehr kleine grüne Haussymbole auf der NRW-Karte, auf der die Frauenhäuser aktuell ihre freien Plätze online melden, wie das Frauenhaus in Moers. Aber grün bleibt das Symbol nur noch sehr kurz: "Wenn ein Platz frei wird, wird er noch am gleichen oder spätestens am folgenden Tag wieder belegt", sagt Christine Merten-Stephani. Entweder mit einer eigenen Ánfrage aus Moers oder es klingelt das Telefon, weil eine Kollegin aus einer anderen Region die mittlerweile seltene Chance nutzt. Frauenhausplätze im Windhundverfahren...