Protest vor dem Werkstor

, Kreisdekanat Coesfeld, Offizialatsbezirk Oldenburg, Kreisdekanat Steinfurt

Wochenlang hat Pfarrer Peter Kossen aus der Lengericher Pfarrer Seliger Niels Stensen davor gewarnt, nun ist das Schlimmste eingetreten. Und das gleich an mehreren Standorten bundesweit. In einer Großschlachterei in Coesfeld haben sich knapp 200 Leiharbeiter mit dem Corona-Virus infiziert. Ein Grund: Die schlechte Arbeits-, aber auch die katastrophale Wohnsituation, wie Kossen erklärt. Um darauf aufmerksam zu machen und dagegen zu protestieren, stellte sich der Pfarrer am 9. Mai mit Plakaten vor das Werkstor in Coesfeld.

Pfarrer Peter Kossen (links) und Dominik Blum

Mit Plakaten protestierte Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich (links) vor dem Werkstor einer Großschlachterei in Coesfeld gegen die Arbeits- und Wohnsituation der Leiharbeiter. Von ihnen haben sich allein am Standort Coesfeld fast 200 mit dem Corona-Virus infiziert. Unterstützung bekam Kossen von Dominik Blum aus Stapelfeld.

© Bistum Münster

Die Arbeitsmigrantinnen und -migranten seien meist zu mehreren in einem Zimmer untergebracht, schilderte Kossen die Lebensbedingungen. Die Räume seien nicht selten eher als „verschimmelte Bruchbuden“ zu bezeichnen. In vollgestopften Kleintransportern würden die Leiharbeiter zu ihren Schichten in die Großschlachterei gefahren. Dazu komme ein Arbeitstag von mindestens zehn, oftmals noch mehr Stunden an sechs Tagen in der Woche: „Alles das sind Risikofaktoren, die ein großes Gefährdungspotenzial haben“, betonte der Pfarrer. Seit vielen Jahren schon prangert er die unmenschlichen Zustände vor allem in der Fleischindustrie an.

Erschwerend komme hinzu, dass viele der Osteuropäer aufgrund der hohen Arbeitsbelastungen selbst nach Jahren in Deutschland keine Zeit gefunden hätten, die Sprache zu lernen: „Damit ist es fast unmöglich, ihnen die Hygieneregeln zu vermitteln.“

Angestellt seien die Arbeitsmigranten bei Personaldienstleistern. Die Strukturen seien bis zur Unkenntlichkeit verwässert, damit so die Sozialgesetzgebung ausgehebelt werden könne.

Was in Coesfeld, aber auch bereits in anderen Bundesländern passiert sei, habe man vor Wochen absehen können, erinnert Kossen unter anderem an seinen Offenen Brief an NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, in dem er genau diese dramatische Entwicklung prophezeite.

Kossen fordert einen raschen Systemwechsel: „Ein Mensch, ein Raum – und keine überbelegten Sammelunterkünfte.“ Um in der jetzigen Situation deeskalierend zu wirken, regte er an, den Arbeitsmigranten freie Hotelzimmer zur Verfügung zu stellen. Für die Zukunft appellierte er an die Politiker, klare gesetzliche Vorgaben zu verabschieden, die die Leiharbeiter schützen.

Die von NRW-Minister Laumann angekündigten Corona-Tests bei allen Mitarbeitenden in Schlachtbetrieben bewertet Pfarrer Kossen als ein positives Signal, dem weitere folgen müssten.

Gudrun Niewöhner