Quer zum Gewohnten

, Kreisdekanat Coesfeld

Für Weihbischof Dr. Stefan Zekorn bilden sie den „Kern einer Spiritualität, die Jesus vorgelebt hat“. Doch vielen Menschen sind die drei evangelischen Räte fremd oder sie werden „sogar als abstoßend“ empfunden, wie er in Gesprächen immer wieder erfährt. Armut, Gehorsamkeit und Ehelosigkeit stoßen als „alternativer Lebensstil, der quer zum Gewohnten geht“ oft auf Vorbehalte, stellte der Weihbischof am Freitag beim spirituellen Leseabend in der Familienbildungsstätte (FBS) Dülmen fest.

Weihbischof Dr. Stefan Zekorn

Mit Auszügen aus seinem Buch vermittelte Weihbischof Dr. Stefan Zekorn, wie die evangelischen Räte das Glaubensleben bereichern.

© Bistum Münster

Ein Stachel wollten die evangelischen Räte sein, „eine Herausforderung, anders zu leben“, erläuterte Zekorn. Nicht weniger groß als die Skepsis ihnen gegenüber scheint aber auch die Bereitschaft zu sein, sich auf sie einzulassen. Erst im Oktober veröffentlicht, wird bereits die zweite Auflage seines Buchs „Anders leben – mehr leben“ vorbereitet. Und auch das Interesse der Dülmener ist groß – kein Platz war mehr frei beim Leseabend, zu dem die Pfarrei St. Viktor, die Katholische Öffentliche Bücherei und die FBS eingeladen hatten. In Auszügen aus dem Buch und im Gespräch mit Pfarrer Markus Trautmann beschrieb Zekorn, wie die evangelischen Räte den Glauben im Alltag bereichern.

Dazu klärte er zunächst Missverständnisse auf. Als „in den Evangelien festgehaltene Ermunterungen Jesu zu Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit“ definierte er die evangelischen Räte. Mit Armut sei nicht Elend gemeint, sondern Einfachheit und „die Freiheit, sich nicht mit so vielen Dingen zu belasten“. Gehorsam sei für manche „ein Unwort“. Dabei gehe es um nichts anderes als zuzuhören. „Wir brauchen Gehorsam zum Glück“, unterstrich Zekorn. Deutlich werde dies in der Ehe, die eine Abhängigkeit schaffe, zu der man „Ja“ gesagt habe. „Das ist Reichtum“, betonte der Weihbischof und warnte, dass eine Selbstverwirklichung, die das eigene Ich kultiviere, scheitern müsse. Gleichwertig mit der Ehe sei die Ehelosigkeit oder, wie es Papst Franziskus formulierte: „Der Zölibat und die Ehe sind verschiedene Formen zu lieben“. Für ihn selbst sei der Zölibat „als spirituelle Dimension wichtig“, erklärte der Zekorn.

Mit Zitaten bekannter Glaubenszeugen, darunter Bischof Franz Kamphaus, Dietrich Bonhoeffer oder Mutter Teresa, verdeutlichte der Weihbischof seine Ausführungen. Grundsätzliches ergänzte er mit konkreten Ratschlägen im Sinne der evangelischen Räte, zum Beispiel für einen einfachen Lebensstil. Dazu gehörten praktische Vorschläge für eine Ernährung mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln, mit mehr Getreide und Gemüse. Eine Sehnsucht nach einem einfachen Leben spürt Zekorn gerade bei Jugendlichen. Denen werde die Belastung durch Schule, Hobbys und Social Media schlicht zu viel. Der Weihbischof empfahl, „frei zu werden, für das, was ich in der Gegenwart erleben kann“. Und er riet dazu, sich vor Gott zu sammeln und in Zeiten großer Unsicherheit loszulassen und in einer Sorglosigkeit zu leben, „die aus dem Vertrauen auf Gott kommt“. Oder, wie es Frère Roger beschrieb: „Der Geist der Armut besteht in der Freude des Menschen, dessen Sicherheit in Gott ist“.

Tobias Hertel