Sr. Dulce: Heiligsprechung einer Eigensinnigen

, Bistum Münster

Schwester Dulce Lopes Pontes wird am 13. Oktober gemeinsam mit Kardinal John Henry Newman in Rom heiliggesprochen werden. Der soziale Einsatz des „Engels von Bahia“ wirkt bis heute im Nordosten Brasiliens nach. Ihr Leben (1914 bis 1992) hatte auch Wurzeln im Bistum Münster.

Porträtbild von Schwester Dulce mit Ordensschleier

Schwester Dulce

© Lourdeskloster

Sie war eine mit Prinzipien, denen sie selbstbewusst treu blieb, weil sie diese aus ihrem tiefen, franziskanisch geprägten Glauben tat. Ihr Einsatz für Arme, Kranke und Obdachlose im brasilianischen Salvador war kein leichter Weg, auch innerhalb ihres Ordens der Missionsschwestern der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes. Der standhafte soziale Einsatz der zierlichen Frau im weiß-blauen Habit aber hat Ausstrahlung bis in die heutige Zeit. Er ist ein Grund für ihre Heiligsprechung am Sonntag in Rom.

„Eigentlich war sie unter uns Schwester zu ihren Lebzeiten gar nicht so bekannt“, sagt Schwester Andrea, die im Lourdeskloster in Münster lebt. Sie selbst hat sie nie persönlich kennengelernt. Doch auch ihre verstorbenen Mitschwestern, die zum Teil mit Schwester Dulce in Brasilien zusammengelebt hatten, berichteten zwar von einer besonders engagierten Ordensfrau, „aber nicht von jemandem, der aus der Gemeinschaft herausragte.“

Die Ordensgemeinschaft hat ihre Wurzeln im Bistum Münster. Der in Bartmannsholte im Oldenburger Land geborene Bischof Amandus Bahlmann suchte 1910 für die Gründung einer sozial tägigen Kongregation in seiner Mission in Brasilien eine Ordensfrau. Er fand sie in der aus Ahlen stammenden Lehrerin Elisabeth Tombrock, die nach ihrer Heilung in Lourdes Ordensschwester werden wollte. Nachdem sie im Klarissenkloster in Münster ausgebildet worden war, baute sie als Schwester Immaculata die Gemeinschaft in Brasilien auf.

Der Orden wuchs schnell. Unter den Novizinnen des Jahres 1933 war die 19-jährige Maria Rita de Souza Brito Lopes Pontes, die ein Jahr später als Schwester Dulce ihre Gelübde ablegte. Für die junge Brasilianerin wirkt dies wie ein logischer Schritt. Denn schon als Schuldkind setzte sie sich neben ihrer Fußball-Leidenschaft mit großem Eifer für arme Menschen ein. In einem kleinen Gebäude neben dem Elternhauses hatte sie einen medizinischen Notdienst für Arme eingerichtet, wo sie Verbände anlegte und gespendete Medikamente verteilte.

Als Ordensfrau, ging Schwester Dulce diesen Weg weiter. Er brachte ihr letztlich den Namen „Engel von Bahia“ ein. Denn ihre Leidenschaft für den sozialen Einsatz wuchs. Ob sie Kinder von den Müllhalden holte, Drogenkranke von der Straße oder Familien aus dramatischen Verhältnissen – für sie stand das Engagement für Unterdrückte und Arme immer im Mittelpunkt. Sie tat das in einer solchen Intensität, dass sie durchaus auch innerhalb der Kirche aneckte. So kritisierte sie einmal ein Bischof, weil er es für unschicklich befand, dass sie ärmlich bekleideten Fabrikarbeitern in kurzen Hosen Katechismus-Unterricht erteilte.

Schwester Dulce ging ihren Weg unbeirrt weiter. Sie zog in die Nähe der Armenviertel und initiierte eine Vielzahl von Angeboten für alle Notsituationen der Menschen dort. Dabei spielte die Katechese eine wichtige Rolle, in der Gefängnisseelsorge genauso wie in der Erstkommunion-Vorbereitung. Die nationale und internationale Unterstützung ihres Engagements wuchs in den 1940-er Jahren stark, so dass sie die Infrastruktur ihrer Hilfen ausbauen konnte. In dieser Zeit entstand in ihrem Sozialwerk auch das Hospital Santo Antonio. Damals schon das größte Krankenhaus im gesamten Nordosten Brasilien, hat es heute mehr als 1.000 Betten.

Die Kongregation aber machte sich Gedanken, wie sie die entstandenen Institutionen finanziell stemmen und ihre Schwestern diese aufrechterhalten konnten. Schwester Dulce wehrte sich jedoch unter anderem standhaft dagegen, dass für die strenge Tagesordnung der Missionsschwestern der soziale Einsatz vernachlässigt werden sollte. Diese Spannung endete schließlich in der so genannten Exklaustration – einer Zeit, in der die Schwester zwar Mitglied der Kongregation blieb, aber von vielen Verpflichtungen im Orden befreit war. Für Schwester Dulce galt das von 1965 bis 1975. Ihren Mitschwestern den Ordensprinzipien kehrte sie aber nicht den Rücken.

Trotzdem blieb die Wahrnehmung zu ihren Lebzeiten zwiespältig, weiß Schwester Andrea: „Mit ihrer eigenwilligen Art war sie aus der Kongregation ein wenig ausgeschert.“ Der große Stolz innerhalb des Ordens auf ihr Werk kam erst nach dem Tod von Schwester Dulce im Jahr 1992 an die Oberfläche. „Sie selbst hätte das vorher aber auch nicht gewollt.“

Michael Bönte / Kirche+Leben