Teilnehmer aus Bistum bei Jahrestagung Entwicklungspolitik

, Bistum Münster

Zur Jahrestagung Entwicklungspolitik haben sich vom 10. bis 12. Januar mehr als 100 Eine-Welt-Engagierte in der Evangelischen Akademie Villigst, Schwerte, getroffen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem vom Niederrhein, aus dem Ruhrgebiet, dem Münsterland und dem Sauerland erhofften sich Austausch und Perspektiven für ihr Engagement im Fairen Handel oder in internationalen Partnerschaften. Unter dem Tagungstitel „Bitte wenden! Wie kann Gerechtigkeit gelingen?“ diskutierten sie dazu „Wege zu einer sozial-ökologischen Transformation“ mit kompetenten Referentinnen und Referenten.

Anders leben und nach dem richtigen Weg suchen

Zu Beginn der Tagung beschrieb Bettina Köhler von der Universität Wien in einem breit angelegten Überblicksvortrag die von ihr so bezeichnetete  „imperiale Lebensweise.“ Unsere Produktions- und Lebensweise basiere auf einer alltäglich unbegrenzten Verfügung über alle Ressourcen. Dies funktioniere mit „Externalisierung“, also unter Zugriff auf ein „Andernorts“: T-Shirts aus Bangladesch, Soja-Viehfutter aus Brasilien, Handy-Teile aus dem Kongo. Damit gehe die „Unsichtbarmachung der Produktionsbedingungen“ einher.

Bei den Zuhörern war Frust angesichts der Übermacht der Konsum- und Wachstum-Ideologie spürbar. Dagegen gab es auch Stimmen wie die von Theo Heeck vom Brasilienkreis St. Heinrich in Marl: „Hier sitzen 100 Leute, die anders leben – und daran halte ich mich fest.“

In einem der folgenden acht Workshops ging es um  „Shrinking Spaces“, also um enger werdende Aktionsfelder für zivilgesellschaftliches Engagement. Elmar Noé, Referent bei Misereor, berichtete, dass in vielen Ländern ein Klima der Angst erzeugt werde durch ein breites Repertoire von Verdächtigungen, Einschüchterungen, Einschränkungen, Bedrohungen, Krimimalisierungen, willkürlichen Anklagen und Verfolgungen bis hin zu Ermordungen. Es komme darauf an, den zivilgesellschaftlichen Handlungsraum zurückzugewinnen oder zu erweitern. „Öffentlichkeit herstellen, Aufmerksamkeit erzeugen“ sei fast immer richtig.

Im Mittelpunkt der Jahrestagung stand der Faire Handel – ein zentrales Handlungsfeld vieler Teilnehmer. Vor 50 Jahren von den konfessionellen Jungendverbänden initiiert, strebte diese „Aktion Dritte Welt Handel“ von Beginn an eine Verbindung von entwicklungsbezogenem Handel und entwicklungsbezogener Bildung an. Was tatsächlich erreicht wurde, diskutierten der Pionier des Fairen Handels, Gerd Nickoleit, Misereor-Referent Wilfried Wunden und Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut Südwind.

Ein unübersehbarer Erfolg des kontinuierlichen Engagements sei auf jeden Fall die Handelsausweitung, wenngleich sie im Wesentlichen durch den kommerziellen Markt erfolgt ist. Es bleibe fraglich, inwieweit der kommerzielle vom ethischen Markt profitiere. Kritisch angemerkt wurde daher, dass der Faire Handel den üblichen Gesetzen der Marktlogik folge: Wunden wies auf das Paradoxon hin, dass zwar laut Umfragen viele Menschen bereit sind, für fairere Produkte einen höheren Preis zu zahlen, dass es aber bei wenigen bleibt, die es tatsächlich tun. Hütz-Adams ordnete ein: „Der Faire Handel allein kann nicht wuppen, was grundsätzlich zu tun ist.“ Nickoleit ließ seine radikale Kritik münden in die versöhnliche Aufforderung: „Lasst uns weiter um den richtigen Weg im Fairen Handel streiten.“

Zur nächsten Jahrestagung Entwicklungspolitik vom 8. bis 10. Januar 2021 in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster wird es dann einen Anlass zum Feiern geben: Die Jahrestagung findet dann zum 40. Mal statt.