„Corona“, sagte der Bischof, „sollte denen, die es immer noch nicht verstanden haben, gezeigt haben: Mauern, Stacheldrähte und Grenzbefestigungen gehören als Symbole eines überkommenden Nationalismus auf den Friedhof der Geschichte.“ Solche Grenzbefestigungen schützten reichere Länder weder vor einem Virus noch vor Menschen, die aus purer Verzweiflung nicht ein bequemeres, sondern überhaupt erstmal ein menschenwürdiges Leben suchten. „Diese Sehnsucht nach der Erfüllung eines Menschenrechts ist auch der Hauptgrund, dass die Städte in Lateinamerika immer mehr zu Molochen werden, in denen das Überleben für viele kaum mehr möglich ist“, nahm Bischof Genn Bezug auf das Leitwort der Adveniat-Aktion.
Es sei „absurd“, dass es vielen in den reichen Ländern angesichts der massiven globalen Probleme immer noch vor allem darum zu gehen scheine, den eigenen Wohlstand zu bewahren oder zu erhöhen. Bischof Genn: „Die Zeiten einer solchen Haltung und eines egoistischen Systems, das grenzenloses Wachstum zur Leitschnur auch des politischen Handelns macht, müssen vorbei sein –wenn schon nicht aus Nächstenliebe, so doch allein schon im eigenen Interesse. Denn auch das lehrt Corona uns schmerzhaft: Das Virus wird nur eingedämmt, wenn wir Impfstoffe nicht für uns bunkern, sondern gerecht auf der Welt verteilen.“
Der Bischof von Münster würdigte in diesem Zusammenhang das 60-jährige Engagement von Adveniat für die Menschen in Lateinamerika. „Adveniat ist dabei sehr viel mehr als eine Spendenaktion, Adveniat ist eine Solidaritätsaktion, Adveniat ist die Stimme der armen und notleidenden Menschen Lateinamerikas hier bei uns in Deutschland. Nie war es notwendiger, diese Stimme lautstark zu erheben. Nie war Adveniat so wichtig wie heute“, betonte Genn. Adveniat setze egoistischen Phantasien, die grenzenloses Wachstum für Wenige auf Kosten vieler anderer propagieren, eine Haltung von Sorge und Verantwortung für die Armen und für unsere Welt entgegen: „Solidarität statt Egoismus; globale Geschwisterlichkeit statt Ausbeutung und nationaler Verengung; Mitmenschlichkeit und Respekt vor der Würde jedes Menschen statt Abgrenzung und Ausgrenzung; Verantwortung statt Ausbeutung.“
Dass die Pandemie erst zu Ende ist, wenn sich die Menschen weltweit durch Impfungen dagegen schützen können, sagte auch Adveniat-Aktionsgast Erzbischof Dr. Leonardo Steiner aus dem Amazonasbistum Manaus in Brasilien. Adveniat habe von der ersten Impfung an mutig für die Menschen in Lateinamerika und den anderen Weltgegenden des globalen Südens die Stimme erhoben und die Regierungen in Deutschland und Europa aufgefordert, die Patente für die Impfstoffe freizugeben. Manaus war bereits zu Beginn des Jahres in aller Munde. Die Corona-Variante P1 verbreitete Angst und Schrecken. Und doch habe die Pandemie bestehende Probleme nur verschärft: „Brasilien ist zurück auf der Landkarte des Hungers. Wir haben einen Rekord an Menschen, die auf der Straße im informellen Sektor arbeiten. Es gibt immer mehr Menschen, die betteln müssen, die auf unseren Straßen schlafen, die hungern“, beklagte der Erzbischof. Kirche dürfe diese Menschen nicht im Abseits stehen lassen. Deshalb versorge sein Erzbistum sie mit Schlafplätzen, Essen, Sauerstoff-Zylindern und gehe „auf die Menschen zu, um ihnen zuzuhören und Mut zu machen.“ Möglich sei das auch dank der deutschen Spenderinnen und Spender von Adveniat. Im Schatten der Pandemie haben sich laut Steiner auch die Ausbeutung der Natur, der Schöpfung und die Angriffe auf die indigenen Völker massiv verstärkt. „Solidarität aller Menschen guten Willens muss unsere Antwort sein auf Ausbeutung, Hunger und ein marodes und ungerechtes Gesundheitssystem.“