Vom Wort und seiner verwandelnden Kraft

, Bistum Münster

Eigentlich, so sagte Prof. Dr. Heribert Prantl zu Beginn des ersten diesjährigen Geistlichen Themenabends im St.-Paulus-Dom Münster am 24. Februar, gebe es nur zwei Themen, über die zu reden sich lohne: Liebe und Tod. Prantl – lange Jahre Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, deren Autor und Kolumnist er bis heute ist – sprach dann doch über weitere Themen, und zwar so kundig und überzeugend, dass er seine Eingangsbehauptung widerlegte und mit viel Beifall belohnt wurde. Der Titel seines Impulses „Rede“ fügte sich in das Oberthema „In Verbindung bleiben – der Glaube hat viele Sprachen“ der Geistlichen Themenabende 2021 ein. Im Dom war die unter Corona-Bedingungen erlaubte Zahl an Besucherinnen und Besuchern der Gottesdienstreihe dabei, viele weitere verfolgten den Abend online mittels der Live-Übertragungen des Bistums Münster.

Ausgehend vom Beginn des Johannes-Evangeliums mit dem Satz „Im Anfang war das Wort“ und von der biblischen Schöpfungsgeschichte arbeitete Prantl heraus, dass der Mensch „Ordnung im Chaos“, eine Lebensgrundlage und Heimat brauche, es müsse „Transparenz in undurchsichtige Zustände und Recht in die Willkür.“ In diesem Sinne habe der wegen der Corona-Pandemie verbreitete Alarmismus den Menschen nicht gut getan. 
Prantl stellte fest: „Trost geben und Halt, Angst nehmen, kräftigen und stärken: Das hätten die Menschen in den Corona-Zeiten so nötig gehabt.“ Das habe die Kirche monatelang nicht einmal richtig versucht. Zwar hätten sich Pfarrer und Ehrenamtliche engagiert, „um Kirche nicht ausfallen, sondern anders ausfallen zu lassen.“ Das habe aber „wenig Strahlkraft nach außen“ gehabt, öffentliche kirchliche Äußerungen hätten „kleinmütig, angepasst“ gewirkt. Erst im Herbst hätten die Kirchen „zu heiliger Kreativität und fast urchristlicher Phantasie“ gefunden.

Dass der Mensch nicht vom Brot allein lebe, sondern von Wort und Berührung, gelte in unnormalen Zeiten erst recht. „Haben die Kirchen diese Wahrheit ernst genug genommen, als beim ersten Lockdown jedenfalls ohne viel Wimpernzucken die persönliche Begegnung vermieden wurde?“ fragte Prantl. Zu wenig sei zu spüren gewesen, dass die nötige „vernünftige Zurückhaltung“ weh tut. „Wenn die Kirchen sonst nichts tun konnten und nichts tun können, dies doch: laut über die Härten klagen und den Betroffenen eine Stimme geben“, sagte der Referent, „es ist Trost, Trostlosigkeit offenzulegen und nicht Pflaster darüber zu kleben.“

Ritus und Liturgie der Kirche bauten auf den Glauben an die verwandelnde Kraft des Wortes. „Kirche ist Kommunikation. Ohne Kommunikation gibt es keine Mission, keine Klarheit, keine Wahrheit“, betonte Prantl. Kirche könne ihr Gewicht nur durch Glaubwürdigkeit erhalten, sagte er mit Bezug auf einen transparenten Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs. 

Von der corona-bedingten Sehnsucht nach buchstäblichem Aufatmen leitete Prantl über zu Pfingsten als „Fest der Kommunikation“. Pfingsten sei die „Vision des befreiten Aufatmens, der vollkommenen Kommunikation, des Miteinander-Redens ohne jede Schwierigkeiten. Aus deprimierten Menschen werden begeisterte Menschen, die frischen Wind spüren, sich wieder hinaustrauen, die frei heraus reden, die an die Zukunft glauben.“ 

Das Suchen nach Lösungen für Konflikte, die die Pandemie aufgeworfen oder sichtbar gemacht habe, müsse „ein demokratisches Suchen und Finden bleiben beziehungsweise werden und mit dem Wissen einhergehen, dass es eine Vielheit von Stimmen und Alternativen, dass es den mühsamen Weg des Hörens, Verstehens und Aushandelns gibt.“ Die Hoffnung für die Zeit nach Corona sei die pfingstliche Hoffnung, dass Verstehen trotz Vielfalt möglich sei. 

Prantl empfahl Gläubigen wie Ungläubigen das Beten. Es gebe „der Not eine Sprache, es vermeidet die Sprachlosigkeit in existenzieller Lage. Da gibt es nichts, was man nicht sagen dürfte – bis dahin, dass der Beter seinen Gott anklagt“, sagte er. Wer frage oder aufbegehre, habe schon angefangen, etwas zu unternehmen. „Wenn das, was man Gebet nennt, hilft, der absoluten Sinnlosigkeit standzuhalten, wenn der Tod so nicht das allerletzte Wort hat – dann hat das Gebet etwas Österliches, es hilft beim Wieder-Aufstehen“, sagte Prantl. Und schlug einen Bogen zu seiner Eingangsthese: „Manchmal verbindet das kraftvoll-schöpferische Wort den Tod und die Liebe und macht so neue Hoffnung. Denn die Liebe ist der Einspruch und oft der einzige Trost gegen den Tod, weil in ihr die Kraft des Anfangs steckt.“

Anke Lucht

Bildunterschrift: Über die Möglichkeiten von Rede und Wort sprach Heribert Prantl im St.-Paulus-Dom Münster.
Foto: Bischöfliche Pressestelle / Jakob Kuhn