Von der Alkohol- zur Mediensucht

, Kreisdekanat Warendorf

In einem Büro am Kirchplatz in Ahlen trat Hans Becker am 1. April 1969 eine neue Stelle an. Als Einzelkämpfer in der Suchtberatung half er abhängigen Menschen und deren Angehörigen. Ein halbes Jahrhundert hat sich die „Ein-Mann-Stelle“ zu einer gut aufgestellten Beratung entwickelt.

Sie blickten zurück auf fünf Jahrzehnte Sucht- und Drogenberatung: (v. l.) Timo Schüsseler, Herbert Baumann, Hildegard Rüsing, Fachdienstleiter Hermann Wetterkamp, Sozialpädagogin Renate Theissen-Beckmann, Geschäftsführer des Caritasverbandes Heinrich Sinder, Sozialarbeiterin Olga Zenkova, Referent Dr. Martin Reker, Referatsleiter Soziale Arbeit beim Caritasverband für die Diözese Münster Helmut Flötotto, Sozialpädagogin Christiane Ratermann und Landrat Dr. Olaf Gericke.

© Caritasverband für die Diözese Münster/Lisa Uekötter

Auf der Jubiläumsfeier der Quadro Sucht- und Drogenberatung blickte Fachdienstleister Hermann Wetterkamp auf besondere Ereignisse wie den Ausbau der betrieblichen Suchtkrankenhilfe (1989), den Zusammenschluss der vier Beratungsstellen im Kreis Warendorf zur Quadro Sucht- und Drogenberatung (2002) und die frühe Spezialisierung auf die Glücksspielsucht (2006) zurück. „Man sieht sie nicht und man riecht sie nicht“, beschreibt Wetterkamp diese nicht-stoffgebundene Sucht. Betroffene würden schnell in eine finanzielle Misslage rutschen.

Den Blick in die Geschichte ergänzten ehemalige Klienten und eine Angehörige mit ihren Erfahrungen. 1976 nahm Hildegard Rüsing als Ehefrau eines Suchtkranken erstmals Kontakt zur Beratung auf. Eindrücklich berichtete sie von den Gewaltausbrüchen ihres alkoholabhängigen Mannes und der Entscheidung zur Trennung. Seit mehr als 25 Jahren ist Rüsing nun Mitglied im Kreuzbund und ehrenamtliche Leiterin der Selbsthilfegruppen in Ahlen und Drensteinfurt.
Auch Herbert Baumann leitet eine Selbsthilfegruppe in Ahlen seit mehr als 30 Jahren. Zudem war der ehemalige Klient maßgeblich an der Gründung des ehrenamtlich geführten „Café ohne“ beteiligt, das allerdings mangels Personal wieder eingestellt werden musste.

Mit Schuld- und Schamgefühlen sei er einst in die Beratungsstelle gekommen, schilderte Timo Schüsseler. Seit acht Jahren lebt er abstinent, doch damals war er süchtig nach „dem guten Gefühl“. Heute engagiert sich Schüsseler in der Suchtprävention und hat ein Buch über seine Geschichte veröffentlicht.

Noch immer spiele Alkohol die Hauptrolle in der Beratung. Auch die Beratungen zu Cannabis seien stabil, berichtet Hermann Wetterkamp. Aber längst sei auch Crystal Meth im Kreis Warendorf angekommen. Der Drogenkonsum passe in die heutige Leistungsgesellschaft. In Zukunft werden die Handy- und Mediensucht eine immer größere Rolle spielen, prognostiziert Wetterkamp.

„Wir brauchen sie ganz dringend“, betonte Landrat Dr. Olaf Gericke in seinem Grußwort. Im Kreishaus würden die Mitarbeitenden die negativen Folgen von Suchterkrankungen wie den Verlust des Führerscheins oder Arbeitsplatzes mitbekommen. Der Quadro Sucht- und Drogenberatung sagte er eine weitere Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung zu.

Mit der Feierstunde der Sucht- und Drogenberatung läutete der Caritasverband für Ahlen, Drensteinfurt und Sendenhorst zugleich sein Jubiläumsjahr ein. In den kommenden Monaten sind diverse Veranstaltungen geplant. Ein Höhepunkt wird der Festakt am Gründungstag des Verbandes, dem 28. November 1969, sein. In einer jetzt erschienenen Festschrift wird auch Suchtberater Hans Becker als erster Mitarbeiter des Verbandes erwähnt. Bis zu seiner Rente im Jahr 2002 blieb er dem Verband treu.

Caritasverband für die Diözese Münster/Lisa Uekötter