„Der Schrei des Schmerzes, der Hilflosigkeit, der Wut, der Trauer – er braucht einen Ort. Auch dann, wenn er kaum auszuhalten ist.“ Bischof Genn fasst das zusammen, was in vielen Gesichtern auch einen Tag nach der Tat zu sehen ist. „Vielleicht erleichtert der Austausch in dieser großen Solidarität, gewissermaßen das Miteinanderteilen dieses Wortes ‚Warum?‘“, beschreibt er. Dankbar für einen solchen Ort seien Glaubende wie Nichtglaubende gleichermaßen. „Ja, auch Glaubende kennen dieses ‚Warum?‘“, sagt er. Kirche sei nicht „eine Agentur für die Antworten auf Lebensfragen“, erst recht nicht auf das „Warum?“.
Sieben Tage nach Ostern, dem Fest der Auferstehung und der Hoffnung, knüpft Bischof Genn an diese Botschaft an: „Jesus hat am Kreuz geschrien, er hat die Frage nach dem ‚Warum?‘ ausgehalten. Deshalb glauben wir Christen, dass wir auch in einer solchen unbeantworteten Situation bei ihm an der richtigen Adresse sind.“ Mitten in diesen Raum der Bitten, Zweifel und Hoffnung ruft er schließlich dazu auf, zu beten: „Für die Toten. Für die Verletzten. Für den, der es verursacht hat.“
Nicht zuletzt für diejenigen, die geholfen haben: „Was können wir dankbar sein für eine solche solidarische Gemeinschaft“, sagt Bischof Genn bewegt. Neben den vielen Einsatzhelfern nennt er auch die Gruppe der Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger, die zufällig einen Ausflug nach Münster gemacht hatten. „Sie haben sich ihren Tag sicher anders vorgestellt, aber sie haben sich eingesetzt.“
Das Licht der Osterkerze breitet sich weiter aus, Reihe für Reihe erhellt es die Gesichter der Münsteraner. In einem Gebet fasst Superintendent Ulf Schlien die Gedanken der Versammelten zusammen: „Wir suchen nach Worten, um zu begreifen, was geschehen ist. Du bist uns Hilfe und Stärke. Wir beten darum, dass wir mutig werden, den Frieden zu suchen und zu finden.“
Ann-Christin Ladermann