"Wir brauchen Geduld und Weisheit"

, Bistum Münster

„Wir möchten uns als Juden hier wieder ganz zu Hause fühlen, aber wir sind noch unterwegs“, sagt Dr. Moshe Navon und schaut besorgt auf die aktuelle Lebenssituation seiner Religionsgruppe in Deutschland. Der Landesrabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde von Hamburg spricht am Mittwoch, 3. April, beim Geistlichen Themenabend im münsterischen St.-Paulus-Dom über „Geheiligt werde dein Name“. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe steht in diesem Jahr das „Vaterunser“.

Dr. Moshe Navon

Dr. Moshe Navon, der Landesrabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde von Hamburg, spricht am Mittwoch, 3. April, beim Geistlichen Themenabend im münsterischen St.-Paulus-Dom.

© Tatiana Volkova

Es gebe viele nicht-jüdische und jüdische Versöhnungs-Initiativen in Deutschland, berichtet der Rabbiner: „Sie bauen eine schmale Brücke und gehen mit kleinen Schritten, mal vorwärts, mal zurück, von zwei Ufern aus über den schrecklichen Abgrund der Schoah.“ Viel Geduld, Demut und Weisheit seien nötig, um die beiden Brückenteile zusammenzufügen und das Gemeinsame wachsen zu lassen. Keine Zeit könne die tiefen Wunden des jüdischen Volkes heilen, sondern nur bedingungslose Liebe: „So reicht es nicht nur für vier Nachkriegsgenerationen, sondern für 40!“

In der Öffentlichkeit sei heute eine grundlose Judenfeindlichkeit zu spüren, bedauert Navon. Er sieht eine besondere Gefahr darin, dass dieses Phänomen zunehmend in politischen Parteien und staatlichen Strukturen wirke: „Für uns alle ist es eine gemeinsame Herausforderung, eine friedliche, menschliche Zukunft zu gestalten. Wir sollten als besonnene Menschen zusammenhalten und die Judenfeindlichkeit angreifen.“ Dazu brauche es ein klares Gesetz in Bezug auf die Wiederbelebung der jüdischen Gemeinden. „Schöne Worte und Tränen allein reichen nicht aus“, findet der Rabbiner klare Worte.

Doch er übt auch Selbstkritik: „Es ist die Zeit gekommen, sich um Demokratie, Transparenz und Menschlichkeit in unseren Gemeinden zu kümmern.  Wenn wir fordern, dass die deutsche Demokratie unsere Rechte und Würde schützt, sollten wir selbst dafür ein lebendiges Beispiel geben.“

In Münster referiert der Rabbiner zum „Vaterunser“-Vers „Geheiligt werde dein Name“. „Die Heiligung des Namens Gottes steht im Mittelpunkt der jüdischen Gottesdienste und des gesamten jüdischen Lebens“, erläutert Navon. Das christliche Gebet verbinde das jüdische Volk mit den christlichen Schwestern und Brüdern.

Alle geistlichen Themenabende werden live im Internet übertragen. Interessierte können sie unter www.bistum-muenster.de, www.paulusdom.de, www.kirche-und-leben.de, www.katholisch.de und www.bibeltv.de/livestreams verfolgen. Außerdem werden sämtliche Abende auf der Facebookseite des Bistums unter www.facebook.com/bistum.muenster sowie im Youtube-Kanal des Bistums unter www.youtube.com/user/BistumMuenster/live übertragen.

Beginn der Abende ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Das Domkapitel als Veranstalter bittet um eine Spende für ein Projekt des Hilfswerks „Missio“, das die Erstellung einer sprachlich zeitgemäßen Bibel in der dortigen heutigen Landessprache für die Seelsorge auf Madagaskar finanziert.

Gudrun Niewöhner