„Wir haben nicht das eine christliche Menschenbild“

, Bistum Münster

Was versteht man unter dem christlichen Menschenbild? Dieser Frage sind mehr als 60 Erzieherinnen und Erzieher, Kita- und Verbundleitungen, pastorale Mitarbeitende und Pfarrer aus dem Bistum Münster nachgegangen. Die Fachtagung „Taten statt Worte – Christliches Menschenbild in der Kita“, die Teil des Projekts „Kita – Lebensort des Glaubens“ ist, wurde organisiert von Kathrin Wiggering, Projektleitung und Mitarbeiterin des Diözesancaritasverbandes Münster, und Sebastian Mohr, Projektbegleiter und Dozent in der Akademie Franz Hitze Haus.

Professorin Marianne Heimbach-Steins aus Münster stellte zu Beginn ihres Vortrags klar: „Wir haben nicht das christliche Menschenbild, aber wir können uns die Frage stellen, wo wir nach dem suchen müssen, was in dem Bild stecken könnte.“ Es entspann sich ein Austausch zwischen den Zuhörern und der Sozialethikerin nach Fingerzeigen. Jesus wurde genannt als der Kernmarker überhaupt, oder auch die Heiligen, die versucht hätten, im Sinne Jesu zu leben und zu handeln – „mit oder ohne Heiligenschein“. „Alles richtig“, erwiderte Heimbach-Steins, doch alle Vorschläge führten weitere, vielfältige Bilder zu Tage, die zwar mit ihren Hinweisen ins Gesamtbild mit einfließen, nicht aber das gesuchte Bild ergäben. 

Heimbach-Steins zeigte die Spannung auf: „Wir verdanken unser Leben nicht uns selbst, sondern unseren Eltern. Gleichzeitig wollen wir aber autonome, individuelle Wesen sein, nicht die Abziehbilder unserer Vorfahren. Und wir verstehen uns als Wesen, die sich einem Gotteswollen verdanken.“ Damit sei der Mensch Träger verantwortlichen Handelns. „Gott hat uns die Verantwortung für die Schöpfung übertragen. Damit sind wir dazu aufgerufen, die Welt im Sinne Gottes zu gestalten“, betonte die Sozialethikern.

Im zweiten Vortrag schaute sich Professorin Agnes Wuckelt aus Paderborn Konzepte frühkindlicher religiöser Bildung an und wie diese christlich motiviert im Kita-Alltag umgesetzt werden können. Sie erzählte von einer Kita in katholischer Trägerschaft aus dem Paderborner Land, in der von den 88 Kindern 69 einen Migrationshintergrund hätten, 18 katholischen, 13 evangelischen und 36 muslimischen Glaubens seien und alle anderen ohne Bekenntnis. „Wo bleibt da das Katholische?“ Schon das Grundgesetz verweise auf Gott und setze es in Beziehung zur Würde des Menschen. „Die deutsche Kultur bleibt also in weiten Teilen von dem aus dem Christentum herrührenden Wertesystem bestimmt.“ Das entbinde aber zum Beispiel nicht die Kita aus Paderborn von der Erklärung, warum eine christlich motivierte Erziehung notwendig ist. „Das, was für uns wichtig ist, verlangt nach einer christlich-religiösen Begründung“ fuhr die Diplom-Theologin fort. 

Die Geschichte der Religionspädagogik sei eine Geschichte der Menschenbilder. Wuckelt führte drei Beispiele für pädagogische Konzepte an. Der Ansatz von Maria Montessori stelle das Kind in die Mitte des Konzepts. Als Naturwissenschaftlerin setzte Montessori auf Experimente und den dadurch resultierenden Erfahrungsgewinn bei Kindern. In den 1970er Jahren bildete sich der Situationsansatz heraus, der die Einzigartigkeit des Kindes ernst und die Lebenssituation des Kinders wahrnahm. Die Geschlechtergerechtigkeit rückte in den 1990er Jahren in den Fokus der Pädagogik: Mädchen und Jungen wurden als individuelle Subjekte gleichwürdig in ihrer Differenz wahrgenommen. 

Alle drei Konzepte verfolgen keinen dezidiert religions-pädagogischen Ansatz. „Aber die Kitas können ein Konzept auswählen, das ihrem Menschenbild entspricht und die dahinterliegenden Ideen religiös umdeuten, umorientieren“, fasste Wuckelt zusammen. Wichtig dabei sei: „Die Pädagogik muss offen legen, was sie und warum sie etwas will. Und für sich klar haben: Was sind die Ziele meiner religions-pädagogischen Arbeit?“ In „Dialogräumen“ konnten sich die Teilnehmer anschließend über die Vorträge auszutauschen und Beispiele aus der praktischen Tätigkeit einbringen.

Bildunterschrift: Kathrin Wiggering und Alina Brinkmann vom Kita-Projekt, Daniel Meyer zu Gellenbeck (Moderator Dialograum), Donatus Beisenkötter (Projekt), Professorinnen Agnes Wuckelt und Marianne Heimbach-Steins, Sebastian Mohr und Karolin Kramer, Kita-Projekt. (v.l.n.r.)

Foto: Jürgen Flatken