„Ich muss mich noch in meinem neuen Büro einrichten“, sagt Schwester Margarete. Erst vor wenigen Wochen hat sie ihre Vorgängerin, Schwester Sherrey Murphy, nach 24 Jahren in Münster zurück in die amerikanische Heimat begleitet. Der neuen Generaloberin war das ein besonderes Anliegen: „Nach so einer langen Zeit kann man nicht einfach sagen: ‚Guten Flug und auf Wiedersehen.‘“ Noch immer ist der Gedanke für sie ungewohnt, Schwester Sherreys Nachfolgerin zu sein. Niemals hatte sie damit gerechnet – bis zum 14. September. Beim Generalkapitel, das erstmals in der 175-jährigen Geschichte der Kongregation außerhalb von Münster in Amerika stattfand, wählten Delegierte aus allen Provinzen eine neue Generalleitung – eine Generaloberin und vier Generalrätinnen. Völlig überraschend fiel die Wahl auf Schwester Margarete: „Wie ein inneres Erdbeben“ habe sich das angefühlt.
Deutsch lernen und Führerschein machen
Die erste Amtshandlung ließ nicht lange auf sich warten: Schon wenige Stunden später musste sie den Vorsitz des Generalkapitels übernehmen und die Wahl der vier Generalrätinnen leiten. Für die Neugewählten ist damit auch ein Umzug nach Münster verbunden. Für Schwester Christa Maria aus Deutschland und Schwester Rita aus Indien ist es bereits die zweite Amtszeit. Neu dabei sind Schwester Christella aus Japan und Schwester Lima aus Indien. Schwester Beata aus Polen war bereits zwei Amtszeiten im Generalrat, sie hat die Nachfolge von Schwester Margarete angetreten – als Generalökonomin. Eine Weile wird es noch dauern, bis alle Schwestern in Münster gemeinsam ihre Arbeit aufnehmen können. „Ende März könnte es klappen“, ist Schwester Margarete zuversichtlich. Bis dahin – so hofft sie – hat Schwester Lima ihren Aufenthaltstitel. Sie hat in Indien bereits begonnen, die deutsche Sprache zu lernen und einen Führerschein zu machen.
Das internationale Flair ist Schwester Margarete nicht fremd. Seit 2001 hat sie als Generalökonomin das Vermögen der Kongregation verwaltet. „Das ist sehr hilfreich“ sagt sie mit Blick auf ihre neue Aufgabe. Die Internationalität ist für sie vor allem eine Bereicherung: „Wir möchten ein Beispiel des guten Zusammenlebens sein“, sagt sie, „in einer Welt, die in dieser Hinsicht gerade Kopf steht.“ Das bedürfe einer Auseinandersetzung mit den jeweiligen Ländern, mit der Kultur, der Geschichte und der Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen aber die persönlichen Begegnungen mit den Schwestern: „Die Generaloberin muss in ihrer Amtszeit einmal in allen Konventen der Provinzen gewesen sein und mit jeder Schwester einzeln gesprochen haben“, erklärt Schwester Margarete. Die ersten Termine stehen schon: Gleich im Januar geht es nach Japan, wo eine neue Provinzoberin gewählt wird. Schwester Christella ist mit ihrer Wahl in den Generalrat als Provinzoberin ausgeschieden. Im März schließt sich das Provinzkapitel in den USA an. Auch Kasachstan und Indien stehen für 2019 auf dem Plan.
Für Schwester Margarete gewinnt Gemeinschaft, in Zeiten, in denen die Orden immer kleiner werden, auch über die Ländergrenzen hinweg an Bedeutung. „Eine Provinz kann niemals für sich alleine stehen, sondern wir müssen uns gegenseitig unterstützen, damit wir als Kongregation wahrgenommen werden.“ In jeder Provinz sei die Situation eine andere. „Was uns verbindet, ist unser gemeinsames Charisma“, betont die Generaloberin. Während früher in Deutschland und Amerika der Einsatz in den ordenseigenen Krankenhäusern im Mittelpunkt gestanden hat, sind die Schwestern dort und in den anderen Ländern heute in vielen verschiedenen Bereichen tätig. Sie bringen sich in Pfarreien, im Hospiz, in der Sorge um Menschen mit Aidserkrankungen, in Schulen oder im seelsorgerischen Dienst ein.
"Wir brauchen eine offene Diskussion über unsere Zukunft"
Besonders in Deutschland und den USA – den Provinzen mit dem höchsten Altersdurchschnitt – hätten die Schwestern früh begonnen, Laien einzubinden, die bereit und fähig sind, das Erbe der Mauritzer Franziskanerinnen in ihrem Sinne weiterzuführen. „Wir brauchen das Gebet und eine offene Diskussion über unsere Zukunft“, sagt Schwester Margarete. „Es ist wichtig, bei der Planung proaktiv zu sein, damit wir selbst entscheiden können.“ Religiöses Leben scheine sich drastisch zu verändern, aber es entstehe etwas Neues. „Es ist wichtig, die anstehenden Veränderungen anzuerkennen, offen zu sein und in den Dialog zu treten“, betont sie.
Viele Themen haben sich die Franziskanerinnen für die kommenden sechs Jahre vorgenommen. Nach dem Generalkapitel wurden sie in einem sogenannten Schlussdokument festgehalten: Charisma und Sendung, Bewahrung der Schöpfung, Richtlinien für die Verwaltung der kirchlichen Güter, Soziale Medien, Strukturplanung für die Zukunft, 175-jähriges Jubiläum und Internationalität. „Jeder einzelne Text, so klein er auch ist, birgt immense Aufgaben“, sagt die Generaloberin.
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sieht sie die Form des geistlichen Lebens nicht als Flucht vor der Realität: „Es ist die lebendige Antwort auf den Willen Gottes, der uns zu den Armen und zu den Menschen unserer Zeit führt. Und diese haben viele Gesichter, auch das der Mitschwester, die neben mir steht.“
Ann-Christin Ladermann