„Wir möchten ein Beispiel des guten Zusammenlebens sein“

, Bistum Münster

Deutschland, Polen, Amerika, Indien und Japan: Bei den Mauritzer Franziskanerinnen liegen diese Länder direkt nebeneinander. Zumindest in Form von Andenken von den Orten der Welt, an denen die Schwestern wirken. Es ist die geballte Internationalität, die im dritten Stock des Mutterhauses in Münster zusammenkommt. „Das bedeutet für mich katholisch – weltumspannend“, sagt Schwester Margarete Ulager. Sie steht in einem langen Flur, wo die Generalleitung der internationalen Ordensgemeinschaft ihren Sitz hat. Die Türen sind geöffnet, dahinter sitzen Schwester Margaretes Mitschwestern in der Generalleitung sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. „Allein kann ich es nicht, die Zusammenarbeit aller ist wichtig – wir sind ein gutes Team.“ Seit rund 100 Tagen ist die 62-Jährige Generaloberin und steht somit an der Spitze der Mauritzer Franziskanerinnen mit rund knapp 700 Schwestern in der ganzen Welt.

„Ich muss mich noch in meinem neuen Büro einrichten“, sagt Schwester Margarete. Erst vor wenigen Wochen hat sie ihre Vorgängerin, Schwester Sherrey Murphy, nach 24 Jahren in Münster zurück in die amerikanische Heimat begleitet. Der neuen Generaloberin war das ein besonderes Anliegen: „Nach so einer langen Zeit kann man nicht einfach sagen: ‚Guten Flug und auf Wiedersehen.‘“ Noch immer ist der Gedanke für sie ungewohnt, Schwester Sherreys Nachfolgerin zu sein. Niemals hatte sie damit gerechnet – bis zum 14. September. Beim Generalkapitel, das erstmals in der 175-jährigen Geschichte der Kongregation außerhalb von Münster in Amerika stattfand, wählten Delegierte aus allen Provinzen eine neue Generalleitung – eine Generaloberin und vier Generalrätinnen. Völlig überraschend fiel die Wahl auf Schwester Margarete: „Wie ein inneres Erdbeben“ habe sich das angefühlt. 

Deutsch lernen und Führerschein machen

Die erste Amtshandlung ließ nicht lange auf sich warten: Schon wenige Stunden später musste sie den Vorsitz des Generalkapitels übernehmen und die Wahl der vier Generalrätinnen leiten. Für die Neugewählten ist damit auch ein Umzug nach Münster verbunden. Für Schwester Christa Maria aus Deutschland und Schwester Rita aus Indien ist es bereits die zweite Amtszeit. Neu dabei sind Schwester Christella aus Japan und Schwester Lima aus Indien. Schwester Beata aus Polen war bereits zwei Amtszeiten im Generalrat, sie hat die Nachfolge von Schwester Margarete angetreten – als Generalökonomin. Eine Weile wird es noch dauern, bis alle Schwestern in Münster gemeinsam ihre Arbeit aufnehmen können. „Ende März könnte es klappen“, ist Schwester Margarete zuversichtlich. Bis dahin – so hofft sie – hat Schwester Lima ihren Aufenthaltstitel. Sie hat in Indien bereits begonnen, die deutsche Sprache zu lernen und einen Führerschein zu machen.

Das internationale Flair ist Schwester Margarete nicht fremd. Seit 2001 hat sie als Generalökonomin das Vermögen der Kongregation verwaltet. „Das ist sehr hilfreich“ sagt sie mit Blick auf ihre neue Aufgabe. Die Internationalität ist für sie vor allem eine Bereicherung: „Wir möchten ein Beispiel des guten Zusammenlebens sein“, sagt sie, „in einer Welt, die in dieser Hinsicht gerade Kopf steht.“ Das bedürfe einer Auseinandersetzung mit den jeweiligen Ländern, mit der Kultur, der Geschichte und der Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen aber die persönlichen Begegnungen mit den Schwestern: „Die Generaloberin muss in ihrer Amtszeit einmal in allen Konventen der Provinzen gewesen sein und mit jeder Schwester einzeln gesprochen haben“, erklärt Schwester Margarete. Die ersten Termine stehen schon: Gleich im Januar geht es nach Japan, wo eine neue Provinzoberin gewählt wird. Schwester Christella ist mit ihrer Wahl in den Generalrat als Provinzoberin ausgeschieden. Im März schließt sich das Provinzkapitel in den USA an. Auch Kasachstan und Indien stehen für 2019 auf dem Plan. 
Für Schwester Margarete gewinnt Gemeinschaft, in Zeiten, in denen die Orden immer kleiner werden, auch über die Ländergrenzen hinweg an Bedeutung. „Eine Provinz kann niemals für sich alleine stehen, sondern wir müssen uns gegenseitig unterstützen, damit wir als Kongregation wahrgenommen werden.“ In jeder Provinz sei die Situation eine andere. „Was uns verbindet, ist unser gemeinsames Charisma“, betont die Generaloberin. Während früher in Deutschland und Amerika der Einsatz in den ordenseigenen Krankenhäusern im Mittelpunkt gestanden hat, sind die Schwestern dort und in den anderen Ländern heute in vielen verschiedenen Bereichen tätig. Sie bringen sich in Pfarreien, im Hospiz, in der Sorge um Menschen mit Aidserkrankungen, in Schulen oder im seelsorgerischen Dienst ein.

"Wir brauchen eine offene Diskussion über unsere Zukunft"

Besonders in Deutschland und den USA – den Provinzen mit dem höchsten Altersdurchschnitt – hätten die Schwestern früh begonnen, Laien einzubinden, die bereit und fähig sind, das Erbe der Mauritzer Franziskanerinnen in ihrem Sinne weiterzuführen. „Wir brauchen das Gebet und eine offene Diskussion über unsere Zukunft“, sagt Schwester Margarete. „Es ist wichtig, bei der Planung proaktiv zu sein, damit wir selbst entscheiden können.“ Religiöses Leben scheine sich drastisch zu verändern, aber es entstehe etwas Neues. „Es ist wichtig, die anstehenden Veränderungen anzuerkennen, offen zu sein und in den Dialog zu treten“, betont sie. 

Viele Themen haben sich die Franziskanerinnen für die kommenden sechs Jahre vorgenommen. Nach dem Generalkapitel wurden sie in einem sogenannten Schlussdokument festgehalten: Charisma und Sendung, Bewahrung der Schöpfung, Richtlinien für die Verwaltung der kirchlichen Güter, Soziale Medien, Strukturplanung für die Zukunft, 175-jähriges Jubiläum und Internationalität. „Jeder einzelne Text, so klein er auch ist, birgt immense Aufgaben“, sagt die Generaloberin. 

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sieht sie die Form des geistlichen Lebens nicht als Flucht vor der Realität: „Es ist die lebendige Antwort auf den Willen Gottes, der uns zu den Armen und zu den Menschen unserer Zeit führt. Und diese haben viele Gesichter, auch das der Mitschwester, die neben mir steht.“

Ann-Christin Ladermann
 

Schwester Margarete Ulager steht seit 100 Tagen an der Spitze der Mauritzer Franzikanerinnen mit rund 700 Schwestern in der ganzen Welt.

© Bistum Münster
Zur Person

Schwester Margarete Ulager wurde 1956 in Bottrop geboren. Sie legte am 1. Mai 1981 die erste und am 2. Juli 1985 die „Ewige Profess“ ab. Sie ist ausgebildete Krankenschwester und arbeitete mehr als 20 Jahre als solche auf der Intensivstation, in der Anästhesie und im Pflegemanagement. Von 1997 bis 2001 war sie Mitglied des Provinzrates der Deutschen Provinz. Am Abendgymnasium der Stadt Münster machte sie das Abitur nach. Von 2001 bis 2018 war sie Generalökonomin der Kongregation. Im Juli schloss Schwester Margarete ein Studium an der Salford Universität in Manchester in England mit dem „Master of Science“ in „Global Management“ ab.

3 Fragen an…. Generaloberin Margarete Ulager

Wie haben Sie die Wahl zur Generaloberin erlebt?

Für mich persönlich war die Wahl eine große Überraschung. Sie geschah unterwartet und wahrhaftig nicht herbeigewünscht. Ich habe nicht damit gerechnet, darum bin ich ruhig in den Prozess gegangen, weil ich dachte, es passiert nichts. Als es dann auf mich zulief, war ich sehr überrascht und betroffen. Ich hatte Angst, dass die Aufgabe zu groß ist. Aber ich war überwältigt von der Offenheit und Zustimmung der Schwestern. Das stärkt mich und gibt mir Kraft. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe und im Vertrauen auf das Gebet und die Unterstützung meiner Mitschwestern habe ich diese Wahl angenommen, um der Kirche und der Kongregation zu dienen.

 

Welche Herausforderungen warten auf Sie?

An unserem Gründungsauftrag hat sich nichts geändert, er sieht heute natürlich anders aus als 1844: Eine jede von uns ist gerufen, unser franziskanisches Charisma und unseren Glauben zu leben, „Christi heilende Gegenwart zu sein und zu bringen“ – wo immer wir sind und was immer wir tun. Dazu braucht es kreative Wege als Antwort auf die Fragen der Menschen in Krankheit, Armut und Not. Wir sind herausgefordert uns zu fragen, was diese Realität für unsere Zukunft bedeutet. Unsere Möglichkeiten haben sich verändert. Unser Altersdurchschnitt steigt und wir werden weniger Schwestern sein. Die Gemeinschaft wird kleiner, das hat auch Auswirkungen auf unsere Immobilien, die zu groß werden. Hier brauchen wir Unterstützung und auch Beratung von außen. Aber es geht weiter, davon bin ich überzeugt. Doch die Zukunft liegt in Gottes Hand. Was wir sind und haben, ist kein Selbstzweck, sondern wir sind hineingenommen in den Sendungsauftrag der Kirche.

 

Was wünschen Sie sich für das Jahr 2019?

In der Kirche und in unserer Kongregation erleben wir eine Zeit, in der wir nicht nachlassen dürfen, nach dem zu suchen, was Gottes Wille für uns ist. Meine Vision für die Zukunft, für uns als Franziskanerinnen ist, dass wir diesen Willen Gottes als Einzelne, als Provinz und als internationale, multikulturelle Kongregation immer neu erkennen – wie es unsere Zeit erfordert – damit es uns gelingt Gottes Wort mit Leben zu füllen und wir somit ein kraftvolles Zeichen lebendiger Hoffnung werden und hoffentlich auch schon sind. Es braucht unser aller Gaben und Hoffnungen, damit wir gemeinsam in die Zukunft gehen und Freude daran haben können, Teil der Kirche zu sein.

Interview: Ann-Christin Ladermann