"Wir wollen Bremsklotz sein"

, Kreisdekanat Steinfurt

Zur Auftaktveranstaltung des Vereins „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ begrüßte der Vorsitzende, Pfarrer Peter Kossen, am 11. Mai 180 Interessierte und Engagierte in Lengerich. Unter ihnen auch der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Josef Laumann. Er sprach zum Thema: „Arbeitsausbeutung und Mietwucher contra Integration – was ist zu tun?“

Pfarrer Peter Kossen

Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich ist Vorsitzender des Vereins „Aktion Würde und Gerechtigkeit“.

© Bistum Münster

Zusammen mit dem Vorstand stellte Kossen die Ziele des Vereins vor: „Der Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ will durch ein Netzwerk von Juristen und juristisch geschulten Ehrenamtlichen den Rechtsweg für Arbeitsmigrantinnen und -migranten leichter zugänglich machen. Juristische Beratung und Vertretung auch vor Gericht soll dadurch leichter möglich werden. Es soll die oft prekäre und menschenunwürdige Lebens- und Arbeitssituation von Arbeitsmigranten öffentlich gemacht werden, um diesen Menschen zu einem Leben in Würde und Gerechtigkeit zu helfen sowie ihre Integration und jene ihrer Familien zu unterstützen.“

Der zweite Vorsitzende, Rechtsanwalt Dr. Gisbert Stalfort aus Osnabrück, berichtete von typischen Fällen von Ausbeutung und Abzocke. Stalfort beschrieb die Schwierigkeit, diesem Übel beizukommen: „Der Zugang zum Recht ist Wanderarbeiterinnen und -arbeitern nach unserer Erfahrung häufig versperrt. Rechte, die nur auf Antrag gewährt werden, werden faktisch nicht geltend gemacht. Ihren Arbeitgebern, Vermietern und anderen Vertragspartner sind diese Menschen oft schutzlos ausgeliefert. Die Unkenntnis der Rechtslage, die Sprachbarriere, Schwellenangst gegenüber Behörden und Gerichten sowie fehlende Finanzmittel für die Beauftragung von Rechtsanwälten sind hierfür entscheidend.“

Mariya Krumova, gebürtige Bulgarin und Vorstandsmitglied, stellte die Website des Vereins vor, die unter http://www.wuerde-gerechtigkeit.de/index.php/de/ zu finden ist. Schatzmeister Hermann Lütkeschümer warb um Mitgliedschaft und Spenden.

Minister Karl-Josef Laumann positionierte sich deutlich: „Wenn in einigen Branchen der Mindestlohn umgangen wird und Beschäftigte zu Arbeitsmitteln gemacht werden, brauchen wir effektive Kontrollen, damit Würde, Recht und Gesetz nicht mit Füßen getreten werden.“ Die Europäische Union dürfe mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht zu einem „Einfallstor für ausbeuterische Beschäftigung“ in Deutschland werden, sagte Laumann. Ausdrücklich stellte sich der Minister hinter die Ziele des Vereins und wurde am Abend noch Mitglied.

Im Hinblick auf die seit Jahren ungebremste Ausbeutung von Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie, bei den Paketdiensten, auf dem Bau und in anderen Branchen zeigte der Vorstand sich entschlossen: „Wir wollen Bremsklotz sein, wollen die Maschinerie anhalten. Wir machen das öffentlich, was alltäglich ist, aber von vielen nicht für möglich gehalten wird. Gerade deshalb funktioniert die Ausbeutung der Arbeitsmigranten, weil man sie in einer sozialen Marktwirtschaft schlichtweg nicht für möglich hält. Wir wollen die stark machen, die unter die Räder kommen, die aber unsere Mitbürger sind und denen wir viel zu verdanken haben.“