Zuversicht bekommt einen ordentlichen Rumms

Kinder trauern anders. In einem Moment spielen sie fröhlich, im nächsten sind sie niedergeschlagen. "Das ist für Erwachsene oft befremdlich. Aber es ist wichtig zu wissen", sagt Andrea Wübbeling von der Hospizgruppe Billerbeck.

Sie ist eine von fünf Ehrenamtlichen, die sich zu Trauerbegleiterinnen für Kinder weitergebildet haben. Wübbeling vergleicht die Gemütslage der Heranwachsenden mit Pfützen. "Während Erwachsene durch ein tiefes Flussbett in ihrer Trauer gehen und irgendwann das andere Ufer sehen, treten Kinder immer wieder in auftauchende Trauerpfützen und äußern ihre Verzweiflung sehr unmittelbar. Einen lang anhaltenden Trauerprozess würden sie nicht aushalten", erklärt die 47-Jährige.

In der Hospizgruppe Billerbeck haben sich die Angebote für Kinder und ihre Familien zu einem Schwerpunkt entwickelt. "Wir bieten regelmäßig geschlossene Gruppen für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren über einen festen Zeitraum an", nennt Christa Gundt ein Angebot. Aber auch in der ambulanten Begleitung – wie in der Zeit zwischen Tod und Beerdigung – sind die Begleiterinnen für die Familien ansprechbar. "Wir werden von anderen Hospizgruppen oder beispielsweise vom Brückenteam der Universitätsklinik Münster empfohlen", sagt die 69-Jährige, die seit 2005 in der Hospizarbeit tätig ist und sich 2007 zur Kindertrauerbegleiterin weitergebildet hat. Aber auch von Menschen, die mit Kindern zusammenarbeiten – im Kindergarten, in der Schule oder der Pfarrei – werden sie angesprochen.

"Man muss sich immer verdeutlichen, dass mit dem Tod eines Familienmitglieds das gesamte Gerüst ins Wanken gerät", erläutert Wübbeling und vergleicht das Gefüge mit einem Mobile. "Wird ein Teil herausgenommen, gerät das Mobile in Unruhe, wackelt, fällt vielleicht in sich zusammen." Wichtig sei es zu wissen, dass Kinder andere Mechanismen haben und ihre Trauer auf einem anderen Weg ausdrücken. "Manche nässen wieder ein oder können plötzlich nicht mehr Fahrradfahren. Andere nehmen sich zurück und meinen, ihre Eltern schonen zu müssen. Oder sie übernehmen Schuld. Manchmal ist es ganz schön viel, was die kleinen Schultern zu tragen haben", sagt Gundt. Und Wübbeling fügt hinzu: "Ihre Sicherheit hat einen ordentlichen Rumms bekommen."

Einigem könne man begegnen, wenn man um die Trauer der Kinder wisse. "Sätze wie ‚Opa ist eingeschlafen‘ oder ‚Oma ist auf eine lange Reise gegangen‘ sind genauso wenig zur Erklärung geeignet wie ‚Mama ist jetzt im Himmel‘", nennt Gundt Aussagen, die es zu vermeiden gilt. "Sie wecken bei Kindern Ängste und schüren negative Phantasien. Wer mag dann noch am Abend einschlafen?", fragt die pensionierte Grundschullehrerin. Die qualifizierten Kindertrauerbegleiterinnen arbeiten deshalb mit Angeboten für alle Sinne. In den Gruppen dürfen Kinder alles sagen, müssen keine Rücksicht nehmen. "Wir spüren, wie es sie entlastet. Wir helfen ihnen, einen Ausdruck für ihre Gefühle zu finden unter anderem über kreative Angebote oder Rituale. Zum Beispiel pusten sie am Ende der Treffen Seifenblasen in die Luft mit Gedanken und Wünschen an die Menschen, die gegangen sind", nennt Wübbeling ein Beispiel. Solche Rituale gäben den Kindern Halt, Sicherheit und Verlässlichkeit sowie auch ein Stück Normalität.

Die Hospizgruppe Billerbeck engagiert sich nicht nur in der Begleitung. "Wir arbeiten ebenso mit Schulen zusammen, informieren andere Ehrenamtliche aus der Hospizarbeit über das Thema, und laden jedes Jahr am Fest Allerheiligen zu einer Veranstaltung auf den Friedhof ein", berichtet Gundt. Wichtig ist den beiden Begleiterinnen aber immer, dass sie nicht therapieren, sondern begleiten.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.hospizgruppe-billerbeck.de .

Bildunterschriften: Christa Gundt (links) und Andrea Wübbeling wissen, was sie in den Koffer packen
müssen, um mit Kindern zum Thema Trauer zu arbeiten.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 10.11.16
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de
Foto: Bischöfliche Pressestelle/Michaela Kiepe