Im Epizentrum der Fleischindustrie

Prälat Peter Kossen aus Lengerich prangert in seiner jüngsten Pressemitteilung „Wegwerfmenschen“ die Situation der Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie an

Prälat Peter Kossen aus Lengerich prangert in seiner jüngsten Pressemitteilung „Wegwerfmenschen“ die Situation der Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie an.

© Karola Wiedemann

Die Deutsche Bischofskonferenz diskutiert auf ihrer Herbstversammlung derzeit Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen. Was die deutschen Bischöfe ihren Bistümern voraussichtlich ans Herz legen, setzt die Initiative „Zukunft Einkaufen – Glaubwürdig wirtschaften im Bistum Münster“ bereits um. Katholische Priester, kirchliche Mitarbeiter und Aktivitäten aus dem Bistum Münster, die die Initiative  unterstützen, zeigen, wie Taten gemäß den Handlungsempfehlungen aussehen können:

Als „unmoralisch, aber oft legal“, bezeichnet Prälat Peter Kossen die, wie er es nennt, „moderne Sklaventreiberei“ mit Leiharbeitern und Werkverträgen mit Arbeitsmigranten in der Fleischproduktion im Raum Vechta - Oldenburg, dem Epizentrum der Fleischindustrie. „Dieses Geschwür breitet sich mit mafiösen Subunternehmersystemen mittlerweile auch in der Bau- und Metallindustrie und in der Paketzustellung aus“, stellt er fest. „Mit Hilfe von dubiosen Gebühren für Vermittlung, Übersetzung, Transport zur Arbeitsstelle, Werkzeug, Pausenraumnutzung, Vorarbeiter-Bestechung und Strafabzügen werden Hungerlöhne weit unter dem Mindestlohn erzeugt für zwölf Stunden Schwerstarbeit an sechs Tagen die Woche unter extremen physischen und psychischen Belastungen. Hinzu kommen Wuchermieten für menschenunwürdige Unterkünfte. „Menschen aus Ost- und Südosteuropa werden mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt, weil sie zuhause keine Arbeit finden“, weiß er. „So entsteht bei uns eine dunkle Parallelwelt, in der sich Menschen aufgrund von Unkenntnis ihrer Rechte und deutscher Sprache und aufgrund von Drohungen faktisch nicht wehren können.“

Peter Kossen leitet als katholischer Pfarrer in Lengerich südlich von Osnabrück die Pfarrei Seliger Niels Stensen mit ihren sieben Filialgemeinden. Bis 2016 war er ständiger Vertreter des Offizialats in Vechta und hat dort den Weihbischof vertreten. Seit Jahren skandalisiert er kraft seines Amtes die Missstände. Er schreibt Pressemitteilungen und bezieht in der Öffentlichkeit Stellung gegen diese Ausbeutung. Er fordert unter anderem eine gebündelte Behördenkompetenz in Form einer Arbeitskontrollbehörde, die die Arbeitsbedingungen kontrolliert. In anderen EU-Ländern ist das längst bewährter Standard.

„Man muss den Mut haben und sagen, das dulden wir als Kirche nicht“, sagt er. „Auch bei Inhabern großer Unternehmen, die hohe Kirchensteuern zahlen und sich durchaus großzügig zeigen gegenüber der Kirche, dürfen wir nicht käuflich und deshalb still sein.“ Er sieht die Kirche in der Pflicht: „Als Kirche haben wir die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Damit haben wir auch die Verantwortung, Gesellschaft mitzugestalten.“ Insofern begrüßt der katholische Geistliche die Empfehlungen der deutschen Bischöfe, wenn darin eine Abkehr von „Handlungsweisen, die auf der Ausbeutung von Menschen, Mitgeschöpfen und natürlichen Ressourcen beruhen“ und eine „konstruktive Anwaltschaft für die Armen und die bedrohte Schöpfung“ gefordert werden.

Im Rahmen der Initiative „Zukunft einkaufen – Glaubwürdig wirtschaften im Bistum Münster“ ist seine Pfarrei bereits als „Ökofaire Gemeinde“ ausgezeichnet. www.bistum-muenster.de/zukunft_einkaufen